Die Beteiligung der Bürger wird zur Zeit für die Lösung der anstehenden Probleme in der Gesellschaft vor allem von den Grünen in der Landesregierung in Baden-Württemberg propagiert. Direkte Bürgerbeteiligung macht aber nur dann Sinn, wenn die Bürger über Dinge abstimmen, von denen sie direkt betroffen sind. Es macht sicher keinen Sinn, wenn die Bürger in Baden-Württemberg über einen Bahnhof in Stuttgart abstimmen, obwohl der größte Teil der Bürger gar nicht mit der Bahn fährt, den Stuttgarter Bahnhof nicht nutzt und auch keinen Einfluss auf die Finanzierung hat.
Eigentlich sollte die Beteiligung der Bevölkerung im politischen Prozess selbstverständlich sein. Wenn die Parteien jetzt mehr Bürgerbeteiligung fordern ist das eine Bankrotterklärung des parlamentarischen Parteiensystems. Laut Verfassung können die Bürger keine rechtswirksamen Beschlüsse fassen. Das ist auch gut so. So gibt es viele Fälle wo z.B. die Bürger einer Gemeinde den Bau eines neuen Hallenbades beschlossen haben, aber überhaupt kein Geld in der Gemeindekasse war. Andererseits haben sich viele Gemeinderäte von Bürgerentscheidungen zu durchaus vernünftigen Korrekturen in der Gemeindepolitik veranlaßt gesehen. Gerne wird auf das System der Bürgerbeteiligung in der Schweiz verwiesen. Dabei wird aber übersehen, dass die Schweizer eigentlich gar keine Regierung wählen können sondern von einem Rat der Parteien regiert werden. Hier ist ein Korrektiv durch die Bürger zwingend erforderlich.
Bürgerbeteiligung auf Landes- und Bundeseben sollte zunächst durch hohe Wahlbeteiligung und eine große Zahl von Stimmen für die gewählten Abgeordneten gewährleistet werden. Unser bewährtes demokratisches System wird unsinnig, wenn wie heute typisch, weniger als 15 % der Wähler die Regierung aktiv gewählt haben. Hier sind die Parteien in der Pflicht, die Wähler vor allem durch die Aufstellung wirklich kompetenter und integrer Abeordneter, die mit ihren Wählern vor und nach der Wahl kommunizieren, wieder mehr zu beteiligen.
Leider sind die Parteien heute an einer möglichst geringen Wahlbeteiligung interessiert. Eine wirksame Abhilfe wäre hier, die Zahl der Abgeordneten proportional zur Wahlbeteiligung und die Direktwahl von einer Mindestzahl von Stimmen abhängig zu machen. Dann würden sich die Parteien wieder mit guten Kandidaten um die Gunst der Wähler bemühen und Freie Abgeordnete hätten eine Chance die Macht der Mittelmäßigen in den Parteien zu brechen.