Die Landtagswahl in Baden-Württemberg eignet sich nicht besonders gut für die Wahl von Freien Abgeordneten. Das Wahlgesetz wurde von den Interessen der Parteien geprägt. Bei der heute üblichen niedrigen Wahlbeteiligung werden in Zukunft aber auch einige freie Abgeordnete speziell in Städten Chancen haben. Das Land Baden-Württemberg hat zur Wahl sehr gute Informationen zur Wahl ins Web gestellt (natürlich muss sich der Innenminister im Kopf profilieren). Wahlvorschläge für die 70 Wahlkreise müssen bis zum 29. Januar 2011 beim jeweiligen Wahlleiter eingereicht werden. Interessant ist, dass auch Einzelbewerber zugelassen sind, wenn man 150 Unterschriften von Wahlberechtigten vorlegen kann. Man muss also keiner Partei angehören, wenn man als Abgeordneter kandidiert. Will man allerdings als Abgeordneter eventuell auch über Listen ins Parlament kommen, muss man eine Partei gründen oder sich einer bestehenden Liste (das muss nicht unbedingt eine Partei sein) anschließen, welche die Regeln der freien Abgeordneten akzeptiert.
Die Situation in Baden-Württemberg zeigt die Schwächen des bestehenden Wahlverfahrens deutlich. Die CDU als „herrschende“ Partei wird selbst mit nur 30 % der abgegebenen Stimmen in den meisten Kreisen den direkten Kandidaten stellen. (Bei einer angenommenen Wahlbeteiligung von 60 % kann man Landtagsabgeordneter werden wenn nur 18 % der Wähler eines Wahlkreises den Kandidaten wählen. Je geringer die Wahlbeteiligung desto besser für die Parteien. Das ist weit mehr als es der Partei gemessen am Anteil der Wählerstimmen zusteht. Also wird es Überhangmandate geben, damit die Stimmenverhältnisse im Landtag die Stimmenverteilung widergeben. Laut einer Prognose der Stuttgarter Zeitung muss man mit einem aufgeblähten Landtag mit bis zu 150 Abgeordneten rechnen. Ein Großteil der Abgeordneten von SPD und Grünen wird durch Abgeordnete verteten sein, die nicht von den Wählern direkt gewählt worden sind. Je weniger Leute die Abgeordneten (die ja auch noch Vollzeitabgeordnete werden sollen) wählen, desto mehr „Listen Abgeordnete“ wird es im Landtag geben und desto mehr Pfründen sind zu vergeben. Der Landtagspräsident Peter Straub (siehe auch der „Schnelle Peter“) plant deshalb schon das Landtagsgebäude in Stuttgart abzureißen und durch einen weit größeren Bau zu ersetzen, was auf Seiten der Bürger sicher zu Begeisterungsstürmen führen wird. Ein ähnlicher Fall ist einer der Stellvertreter des Landtagspräsidenten Wolfgang Drexler, SPD. Zuerst stimmt er dem unausgegorenen und von weiten Teilen der Bevölkerung abgelehnten Projekt Stuttgart 21 mit seiner Fraktion zu und sichert sich dann eine Pfründe als Sprecher der Initiative Stuttgart 21. Kein Wunder dass er nicht einmal Zeit hat in ein paar dürren Sätzen seinen Wählern auf seiner Homepage zu erklären, wie das alles zusammen geht. Das Projekt Stuttgart 21 fängt bereits mit den Pannen an, die von den kundigen Bürgern vorhergesagt werden. Weder der Zeitplan und der vorgesehen Kostenrahmen läßt sich einhalten. Die Betonköpfe in den Parteien glauben aber, dass eine sinnvolle Korrektur an ihrer Kompetenz und Durchsetzungskraft zweifeln lässt. Das ist aber bereits jetzt der Fall!
Ziel muss es also sein, einige Direktmandate mit Freien Abgeordneten zu erobern, oder Kandidaten anderer Parteien, die sich offen zu den Prinzipien der Freien Abgeordneten bekennen, zu unterstützen. Einige wenige vernünftige, zukunftorienterte Leute mit solidem Fach- und Methodenwissen und etwas Lebenserfahrung können in gemischten Parlamenten wie z.B. jetzt in Nordrhein-Westfalen viel erreichen, wenn sie für Mehrheiten in Sachfragen gebraucht werden.. Nun gibt es speziell bei den Grünen aber auch bei CDU und SPD einige vernünftige Leute. Dort besteht aber die Gefahr, dass sie um ihrer Fraktion an die Macht zu helfen, faule Kompromisse eingehen müssen. Dagegen kann man mit einigen Freien Abgeordneten, die für die Mehrheit unbedingt gebraucht werden, ganz wichtige Sachfragen wie z.B. Stuttgart 21, Ganztagsschule usw durchbringen. Das zeigt sich zur Zeit in Australien, wo zwei Abgeordnete die neue Regierung gezwungen haben, endlich Milliarden auch für Investitionen in den ländlichen Regionen in Australien bereitzustellen, die für die Industrieobby uninteressant sind.
Die einzige sinnvolle Strategie bei der Landtagswahl in B-W ist wohl, die satte Majorität der CDU zu brechen und die Zahl der Überhangmandate zu reduzieren. Dafür muss man die Stimme einem Kandidaten geben, der eine Chance hat direkt gewählt zu werden auch wenn er nicht besser als der CDU Kandidat ist. Die Abgeordneten haben in der jetzigen Konstellation der Parteien sowieso nichts zu sagen. Die Chance einen unabhängigen Kandidaten z.B. in Stuttgart im Umfeld von K21 zu platzieren ist von den Grünen elegant geblockt worden. Langfristig wird man aber unabhängige Kandidaten brauchen, wenn die bestehende verkrustete Parteienwirtschaft aufgebrochen werden soll.
Um Kommentare und Beiträge wird gebeten.
PS Nachtrag nach der S21 Schlichtung: Realistisch gesehen, wird es bei der Landtagswahl 2011 in Baden-Württemberg wohl nur einige Freie Abgeordnete in den Parteien geben, da es bis zum S21 Protest kaum Bürger gab, die das Internet als Plattform für politische Diskussion und Entscheidungsfindung nutzten. Da ist es für Freie Abgeordnete extrem schwierig eine genügend große Öffentlichlkeit zu erreichen. Wahrscheinlich braucht es weitere Beweise für die Begrenztheit der heute dominierenden politischen Landschaft nach den Landtagswahlen (Hamburg läßt grüßen!) bevor sich die Idee des Freien Abgeordneten von den Gemeindeparlamenten in die Parlamante in den Ländern und im Bund gegen den heftigen Widerstand der klassischen Partien verbreitet. Das Problem unserer Politik Struktur durch Volksabstimmungen zu lösen, ist wohl keine sehr gute Idee. Das Problem liegt in der Komplexität der Probleme und der unzureichenden Aufbereitung in den Parlamenten und staatlichen Organe, die sich mit der üblichen Fronten Politik der Parteien nicht mehr lösen lassen.
Gut Ding will auch in der Politik Weile haben.