Soziale Marktwirtschaft am Ende – wie sieht die neue Wirtschaftsordnung aus?

Die Soziale Marktwirtschaft ist das ordnungspolitische Mantra unserer Politik und wurde sogar im Einheitsvertrag von 1990 als offizielle Ordnungspolitik für die Wiedervereinigung von Ost und West definiert. Unter dem Begriff Soziale Marktwirtschaft (oder Marketingwirtschaft?) kann sich jeder etwas anderes vorstellen und es wird suggeriert, dass man damit sowohl wirtschaftliche und soziale Aspekte im Staat gerecht lenken und leiten kann. Wie so vieles in den „Wirtschaftswissenschaften“ wurden um diesen Begriff vielfältige Theorien geflochten, die oft schon religiöse Aspekte annehmen. In der politischen Praxis der frühen Bundesrepublik konnte man unter dieser Flagge recht vernünftige Politik machen, da die Unternehmer auf fleißige und gut ausgebildete Mitarbeiter angewiesen waren und man schließlich auch Konsumenten für die hergestellten Produkte brauchte und der wirtschaftliche Friede im Land sowohl für die Arbeitnehmer als auch für die Arbeitgeber einen positiven Einfluß auf deren wirtschaftliche Entwicklung hatte. Inzwischen versuchen die Unternehmer mit einer Denkfabrik und etwa 8 Millionen € im Jahr den Begriff „Soziale Marktwirtschaft“ in ihrem Sinn zu prägen und zu vermarkten. Viele Politiker gehen dieser Werbung mangels eigener Ideen und nur allzu gerne auf den Leim.

In den modernen Zeiten der globalen Wirtschaft funktioniert die in Deutschland übliche Art der Sozialen Marktwirtschaft allenfalls noch für Teile des Binnenmarktes:

  • Die Unternehmen verlagern immer mehr Anteile der Produktion ins Ausland zu Zulieferern oder fertigen komplett im Ausland (Beispiel Autoindustrie in USA und China). Sie sind daher immer weniger auf Mitarbeiter im Inland angewiesen und damit auch nicht mehr bereit, die Sozialsysteme direkt oder über Steuern zu unterstützen.
  • Globale Industriezweige wie z.B. das Investmentbanking und reiche Mitbürger  haben sich der Kontrolle des Staates und den Steuern durch Abwanderung entzogen (in USA geht das z.B. nicht!).
  • Immer größere Anteile der Wertschöpfung werden ins Ausland verlagert (Patente, Markenrechte und – gewinne) und werden im Inland nicht mehr besteuert.
  • Die Produktivität hat sich immens erhöht. Nur wenige hochspezialisierte Fachkräfte werden noch im Inland gebraucht, die auf die existierenden Sozialsysteme nicht angewiesen sind.
  • Ausländische Staaten speziell USA (siehe Amerikanische Baumwoll Subventionen ruinieren afrikanische Bauern) und China (Beispiel Fotovoltaik) halten sich ganz ungeniert nicht an unsere Regeln. Trotzdem gewähren wir ihnen unbegrenzten Zugang zu unseren Märkten.
  • Ganz ungeniert zerstören wir durch unsere Exportideologie die sozialen Systeme unserer Handelspartner
  • Der soziale Friede in unserer Sozialen Marktwirtschaft wurde in den letzten Jahren mit Staatschulden erkauft. Das wird schon in den nächsten Jahren nicht mehr funktionieren.

Eigentlich sollten in unserer Gesellschaft alle Alarmlampen angehen und eine lebhafte Grundsatzdiskussion in der Politik, der Wissenschaft aber auch in der Bevölkerung beginnen, da eine gut funktionierende Wirtschaftsordung eine zwingende Voraussetzung für unser Zusammenleben und unser Wohlergehen ist. Die öffentliche Diskussion wird aber heute von der Langzeitdiskussion Klimakrise (das Problem löst sich von alleine wenn wir kein Geld mehr haben um Oel und Gas zu kaufen) und der Finanzkrise beherrscht. Dabei ist die Finanzkrise eigentlich nur eine der negativen Auswirkung unserer nicht mehr funktionierenden Wirtschaftsordnung.

Eine neue Wirtschaftsordnung, die wenigstens einige wenige der beschriebenen Probleme zu lösen verspricht, ist nicht in Sicht. In der Politik gibt es im Moment nur die klassische konservative Strategie „was bisher funktioniert hat, wird auch weiter funktionieren“ oder globale Phasendrescherei (Beispiel Antrag zur Wirtschaftspolitik SPD Baden-Württemberg) aus der keinerlei Problembewusstsein zu erkennen ist.

Die Wirtschaftswissenschaften haben in der jetzigen Krise gezeigt, dass sie keine theoretischen und praktischen Werkzeuge haben, aktuelle Probleme vorherzusagen oder vernünftig zu analysieren. Die Wirtschaftsweisen pflegen da lieber den Methodenstreit. Ganz dringend muss aber über eine neue Balance von Innen- und Außenwirtschaft nachgedacht werden. Einige drängende Fragen:

  • Wie weit dürfen sich auch kleine Länder speziell Entwicklungsländer in bestimmten Bereichen vom Weltmarkt z.B. durch Steuern abkoppeln um ihrer Bevölkerung oder ihrer Industrie eine faire Chance zu verschaffen?
  • Wie geht man gegen ganz offene Subventionen der Großmächte vor, welche die Märkte total verzerren?
  • Wie verhindert man, dass kleiner Staaten von den großen wirtschaftlich erpresst werden?
  • Wie kann sich die Realwirtschaft von der rein spekulativen, globalen Finanzspekulationen abkoppeln.

Ansätze zur Problemanalyse und einige Lösungsansätze findet man allenfalls in der Blog Sphere und Interessengruppen außerhalb der Parteien. Die Mehrheit in Politik und Bevölkerung wird aber wohl erst aufwachen wenn es zu einem richtig großen Crash kommt, der nach unserem historischen Wissen mit Sicherheit kommt, von dem jedoch niemand weiß wann. Mit Sicherheit kommt er aber unverhofft für die Mehrheit sodass die informierte Minderheit zumindest bessere Chancen in der Krise hat. Die Reichen dieser Welt haben schon sich schon längst auf diesen Fall vorbereitet.

PS Auch vor der französischen Revolution mussten die Reichen (Adel) keine Steuern zahlen

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2 Antworten zu Soziale Marktwirtschaft am Ende – wie sieht die neue Wirtschaftsordnung aus?

  1. Lambert Schuster schreibt:

    Warum das immerwährende Schlechtreden einer fortschreidenden Globalwirtschaft und das mit Pauschalsätzen, wie „Die Unternehmen verlagern immer mehr Anteile der Produktion ins Ausland“, „Ganz ungeniert zerstören wir durch unsere Exportideologie die sozialen Systeme unserer Handelspartner“ usw. usw.?
    Die Unternehmen und Systeme, die sich darauf einlassen sind ja auch nicht dumm. Sie tun das, weil es für sie von Vorteil ist, weil sie Vorteile darin sehen. Das aber ist Marktwirtschaft. Wir dürfen nicht vergessen, uns auch positiv mit unserem System auseinanderzusetzen. Es wäre fair, auch die Vorteile der Betroffenen in einem solchen Artikel zu erwähnen und diese gegenüber den negativen Auswirkungen abzuwägen.

    • portaleco schreibt:

      Richtig, wir leben zur Zeit im besten politischen System, das wir je in Deutschland hatten. Ein Großteil der Bevölkerung auch in Politik, Wissenschaft und den Medien glaubt immer noch an lineare Entwicklungen obwohl wir aus der Geschichte wissen, dass in der realen Welt nur nichtlineare Systeme gibt. Mit der Devise „einfach weiter so wie bisher“ kommt man oft weit aber nicht beliebig lange. Viele politische Systeme sind untergegangen, weil sie nicht rechtzeitig auf Veränderungen reagiert haben. Auch in Deutschland kann man eine lange Liste von Unternehmen und Industriezweigen erstellen, die wegen mangelnder Innovation vom Markt verschwunden sind, weil andere Unternehmen innovativer und flexibler waren. So finden Sie z.B. in der Liste der 10 am höchsten bewerteten Firmen der Welt vier US IT Unternehmen während in Deutschland diese Industrie praktisch keine Rolle spielt.

      Geradezu naiv ist es anzunehmen, dass die Teilnehmer an der Marktwirtschaft, das freiwillig tun. Wie fast überall diktieren die Unternehmen und Lobbygruppen der großen Staaten die Regeln an den meisten Märkten. Aus meiner Erfahrung (und Überleben) von fast 40 Jahren in der IT Entwicklung wird es für Unternehmen und Staaten dann gefährlich, wenn man nicht mehr täglich über mögliche Probleme und Verbesserung der eigenen Organisation und des eigenen Verhaltens nachdenkt. Ganz kritisch wird es wenn behauptet wird, dass ja alles zum Besten steht. Wie immer ist der Weg in die Hölle mit guten Vorsätzen gepflastert. Zum Trost kann man sagen, dass es in fast jeder Organisation Dinge gibt, die als Grundlage für eine Weiterentwicklung dienen können. Meist kommen diese Wachstumskerne aus kleinen „chaotischen“ Gruppen der Organisation. Schöne Beispiele gibt es dafür u.a. in der Biographie von Steve Jobs – lesenswert.

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