Eines der häufigst zitierten Dogmen unseres Sozialsystem ist: „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. Dabei weiß eigentlich jeder aus eigener Erfahrung, dass dieser Satz in der Praxis überhaupt nicht stimmt. Genausowenig gibt es leistungsgerechten Lohn. Wohl jeder kann sofort Beispiele aufzählen, in denen schlechte Leistung besser bezahlt wird als gute Leistung. Ein schönes Beispiel sind da z.B. die Lehrer in Hamburg, die bei den PISA Rankings ihrer Schüler meist weit hinten liegen aber höhere Gehälter haben als ihre Kollegen in Sachsen, die bei PISA in der Spitzengruppe liegen. Ganz schwierig wird es, wenn man ungleiche Tätigkeiten vergleicht. So erwarten Kopfarbeiter ein höheres Salär als Arbeiter, die nicht nur mit dem Kopf sondern auch mit ihren Händen schwer arbeiten (wohl weil der Kopf höher am Körper angebracht ist als die Hände). Noch schwieriger wird es bei Künstlern, die meinen die Gesellschaft müsste jede ihrer künstlerischen Zuckungen fürstlich honorieren.
Mit dem Spruch „Leistung muss sich lohnen“ kann man schöne Reden bei Wahlveranstaltungen halten. Wehe wenn aber ein Zuhörer danach fragt, wie die Leistung denn gemessen wird, dann fällt die Argumentation schnell in sich zusammen. Dabei haben wir in unserer Gesellschaft einen Konsens, dass sich ein gerechter Lohn an der Leistung orientieren soll und dass die meisten anderen Menschen einen viel zu hohen Lohn für ihre Leistung erhalten. Die eigene Arbeit wird eben gerne höher eingeschätzt.
Mit dem Konstrukt der Wertschöpfung versucht man die ungerechte Bewertung der Leistung zu ersetzen. Mit ähnlicher Leistung kann man in unserer Gesellschaft in unterschiedlichen Positionen eine um Größenordnungen verschiedene Wertschöpfung erzielen. Damit kann man dann begründen, warum der Leiter eines Unternehmens auch mal ein 1000 mal höheres Gehalt erhält als ein typischer Angestellter. Eine höhere Wertschöpfung können auch Angestellte auf Arbeitsplätzen mit hohem Kapitaleinsatz oder mit viel Entscheidungsbefugnis erzielen. Das bedeutet jedoch nicht, dass Beschäftige auf solchen Arbeitsplätzen einen höheren Anteil der Wertschöpfung erhalten. Den Lohn für die Steigerung der Wertschöpfung kassiert der Kapitalgeber und der Organistor des Arbeitsplatzes.
Da Arbeit, Leistung und Wertschöpfung heute nicht mehr vernünftig bewertet werden können, fühlen sich immer mehr Menschen ungerecht behandelt. Sie erkennen aber nicht dass die Ungerechtigkeit systemimanent ist und es wenig hilft sich darüber zu ärgern und sich der allgemeinen Unzufriedenheit hinzugeben.
Weisheit: Den gerechten Lohn gibt es im Himmel und die gerechte Strafe in der Hölle.
Auf der Erde wird es dagegen immer ungerecht zugehen. Man kann nur versuchen, das Maß der Ungerechtigkeit zu begrenzen. Mit dieser Haltung kann man die überall lauernden Ungerechtigkeiten gelassener ertragen.