Das zur Zeit angewendete Steuermodell ist in seinen Grundlagen recht einfach und beruht auf einem geschlossenen Modell, wie es schon im alten Rom und in Assyrien angewendet wurde.
- Jeder Produzent (Bauer, Handwerker, Fabrikant) produziert in einem Land und bezahlt Grundsteuer (unabhängig vom Gewinn) sowie eine Abgabe für die Erlaubnis zum Betrieb (Lizenz). Damit werden die Leistungen des Landes für Infrastruktur, Schutz und Sicherheit, Ausbildung der Arbeiter usw vergütet.
- Alle Bürger bezahlen Steuer auf ihre Einkäufe (z.B. Mehrwertsteuer), die meist vom Verkäufer eingezogen wird.
Etwas komplizierter wird es sobald Produkte aus anderen Ländern importiert oder in andere Länder exportiert werden. Jetzt kommen Import/Export Steuern und Verrechnungspreise ins Spiel. Damit können mächtige Länder ärmeren Ländern Preise und Lieferbedingungen vorschreiben. Die Marktteilnehmer können aber auch Gewinne und Verluste von Land zu Land verschieben und so ihre Steuern optimieren.
In der heutigen globalen Wirtschaft, in denen die Baugruppen eines komplexen Produkts wie z.B. iPhone in vielen verschiedenen Ländern gefertigt werden, wird die Sachlage etwas kompliziert. Das iPhone wird z.B. von China an Apple weltweit ausgeliefert. Die Wertschöpfung in China beträgt aber nur einige $. Es sieht aber so aus, daß China für zig Milliarden $ hochwertige Elektronik an andere Länder liefert. Man muss bei Statistiken über den Export auch die für die Herstellung der Produkte notwendigen Importe betrachten. Das wird z.B. von der deutschen Politik nicht angesprochen. Der deutsche Export wächst, weil wir immer mehr Teile importieren, die wir anschließend wieder als deutsche Produkte exportieren.
Das gängige Steuermodell kann noch immer auf die physikalisch greifbaren Teile angewendet werden. Das gängige Steuermodell versagt aber bei immateriellen Teilen des Produkts.
Gewinn, Design, Marketing, Patente usw können nicht mehr eindeutig einem Land zugeordnet werden. Software besteht aus unzählige Komponenten, die zum Teil kostenlos benutzt wird (Open Source – Getty Öllampen Prinzip). Andere Teile werden weltweit entwickelt. Beim iPhone schätzt man den immateriellen Anteil am Produkt auf etwa 50% des Verkaufspreises etwa 250 $. Gewinnmargen für diesen Teil des Produkts liegen bei > 80%. Apple bunkert zur Zeit etwa 200 Milliarden $ Gewinn im Ausland. Dieser Gewinn muss nach geltender Rechtslage in USA mit etwa 40% versteuert werden sobald Apple diesen Gewinn nach USA transferiert. Auch in USA kann man nicht wirklich reich werden wenn man seine Steuern redlich bezahlt.
Allerdings kann man auch nicht willkürlich für die EU Steuern in Irland verlangen. Der Anteil der Wertschöpfung am iPhone in Irland ist sehr gering. Die Wertschöpfung für die Siemens Chips im iPhone ist viel höher! Eventuell macht Apple mit seiner Gesellschaft in Irland real sogar Verluste! Das Verpacken und Versenden von importierter Hardware wird nicht sehr hoch bezahlt.
Das Problem mit der Besteuerung von IT Hardware entspannt sich mittelfristig. In der IT Industrie wird Hardware immer billiger. Gewinn wird mehr und mehr mit Services (dem Betrieb von Software) gemacht. Mit neuen Technologien wie Cloud und Software defined Networking kann man diese Services dynamisch auf Servern und Netzwerken in der ganzen Welt ausführen. Die großen Software Anbieter wie Microsoft, Google, Apple u.a. wollen keine Software mehr verkaufen, sondern nur noch als Service im Netz gegen Gebühr anbieten. Alle Services werden über das Netzwerk erbracht – es gibt keine lokalen Verkaufsstellen mehr, an denen man z.B. die Mehrwertsteuer einziehen kann.
Die USA sind bei TTIP hauptsächlich am freien Zugang zu Services (inklusive Finanzdienstleistungen) in der EU interessiert. Sojabohnen und Hormonfleisch sind nur Nebenkriegsschauplätze für das Wahlvolk. Unsere Politiker haben das natürlich noch nicht erkannt. Digitale Naive in der EU können von den Digital Aktiven in USA leicht über den Tisch gezogen werden.
Die fundamentale Erkenntnis, dass konventionelle Modelle für Wirtschaft und Recht in einer globalen IT und Service orientierten Welt nicht mehr angewendet werden können, ist in Politik und in der Bevölkerung noch nicht angekommen. Hilflos versucht die Politik (unabhängige) Schiedsgerichte für verschiedene Marktsegmente zu installieren, da die komplexe Welt mit lokalen Gesetzen nicht mehr beherrscht werden kann. Die Europäer, die traditionell in napoleonischer Tradition alles mit Gesetzen regeln wollen, stehen da gegen den pragmatischeren Umgang der Angelsachsen und auch der Chinesen wohl auf verlorenem Posten. Klammheimlich wird aber ein Schiedsgericht für Medien in Deutschland im September seinen Betrieb aufnehmen. Man hat auf diesem komplexen Feld wohl die ewigen Prozesse bei diversen Gerichten satt. Vor der Bundestagswahl 2017 sollte aber möglichst geheim bleiben, daß man mit deutschen Recht und Gesetz in der globalen Welt nicht mehr weit kommt.
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