Am Anfang war das gelogene Wort

Gelogenes Bildund dann kamen Bild, Ton, Radio, Fernsehen, Web, Facebook und Twitter dazu. Die Deutschen, die sich über Fake- und Hass-Nachrichten beschweren, gehen an Weihnachten in die Kirche und lassen sich mit Nachrichten beschallen, die ganz offensichtlich keiner wissenschaftlichen Überprüfung standhalten. Besonders delikat ist an Weihnachten die Geburt Jesu durch die Jungfrau Maria, die ein Dogma der katholischen Kirche aber auch Bestandteil der evangelischen Glaubenslehre ist. Beim damaligen Stand der Medizintechnik ist das schwer vermittelbar.

Interessant ist nun, wie die heutigen Pfarrer diese doch etwas schwierige Akzeptanzklippe der jungfräulichen Geburt umschiffen. In der katholischen Kirche wird beim Krippenspiel der Kinder gefragt, wie denn so etwas möglich ist. Die dogmatische Antwort „Bei Gott ist alles möglich“ erstickt jede Diskussion der Kirchenbesucher im Keim.

In der evangelischen Kirche versuchte unsere Pfarrerin eine etwas modernere Interpretation mit Maria als ledige Mutter eines Kuckuckskindes. Josef kommt bei dieser Version dem Ideal des modernen, toleranten Mannes schon sehr nahe. Danach geht die Pfarrerin in ihrer Weihnachtspredigt elegant zu ihrem Lieblingsthema über „Rolle der Huren im Neuen und Alten Testament“. Hier scheint sie durchaus kompetent hat sie doch einen Pfarrer mit Ehefrau und drei Kindern dazu gebracht, seine Familie zu verlassen und in bester christlicher Tradition ihr als Jünger nachzufolgen.

Da kommt etwas Unruhe im älteren Kirchenvolk auf. Da die Pfarrerin aber das Mikrofon hat ist jeder Widerstand zwecklos.

Über Jahrhunderte war das von der Kanzel gesprochene Wort, die wesentliche meinungsbildende Kommunikation. Die Kirchen waren immer darauf bedacht, ihre Gläubigen dumm zu halten gemäß der Devise, „weide meine Schafe“ aber lass sie ja nicht lesen lernen! Die Funktionäre der Kirchen sprechen meist von oben oder privilegierten Positionen von oben herab zu ihren Anhängern. Mit Gesängen, Musik und rituellen „Tänzen“ wurden die Worte als „himmlisch“ aufgewertet. Es lohnt sich einmal eine Messe im alten Stil z.B. im Kloster Solesmes bei Le Mans in Frankreich oder in der Kirche San Cataldo in Palermo zu besuchen. Da kann selbst die modernste Theateraufführung nicht mithalten. Durch Architektur und Ausstattung wurden die Gläubigen beeindruckt und „klein“ gemacht und durften das Allerheiligste nicht betreten. Besonders Frauen hatten in den Kirchen nichts zu sagen. In Spanien werden bis heute die Zahlen der „El Gordo“ Lotterie von Kindern gesungen, damit soll gezeigt werden, daß die Zahlen vom Himmel kommen und daß bei der Ziehung der Zahlen nicht geschummelt wurde. Die Herrschaft der Kaiser, Könige und Adligen wurde durch die „Werte“ der Religion gestützt.

Reformatoren versuchten das Monopol der Kirchen zu brechen scheiterten aber wie z.B. die Hussiten oder die Hugenotten, wenn sie nicht nur die Kirchen sondern auch die weltliche Ordnung in Frage stellten. Martin Luther war da schlauer. Er demontierte die katholische Kirche rüttelte aber nicht an der weltlichen Ordnung und hierarchischen Struktur der Kirche. So konnte er die Herrschenden für die neue Religion gewinnen. Die weltliche Ordnung wurde erst durch die französische Revolution erschüttert. Die Umstellung gelang aber erst Napoleon, der die geniale Idee hatte, die Kirchengüter an seine Anhänger zu verteilen. Da wollte jeder Fürst mitmachen!

Luther war aber kein Revolutionär. Er ersetzte die Dogmen der katholischen Kirche durch die Dogmen der Bibel. Einige waren sogar in Stein gemeißelt worden. Zum Lesen der Bibel wurden die Gläubigen angehalten, Lesen und Schreiben zu lernen. Das war der Schlüssel zum Erfolg der Protestanten in Wirtschaft und Gesellschaft. Nach wie vor wurden die oft willkürlich interpretierten Regeln der Bibel verbindlich für eine Wertegemeinschaft. Eine ganz ähnliche Rolle nimmt im Islam der Koran ein. Bei Luther durften die Gläubigen nun in der Kirche das Maul beim Singen aufmachen und die Gemeinden erhielten eine Selbstverwaltung. Besonders das Recht, die Lehrer an den Schulen zu bestimmen, war wichtig um das Kommunikationsmonopol der katholischen Kirche zu brechen. Da aber die Gläubigen jetzt Lesen konnten, wurde die Bibel auch vielfältig interpretiert und es entstanden unzählige Splittergruppen, die sich gegenseitig bekämpften, was der Katholischen Monopolkirche und den Herrschenden nur Recht war.

Das Radio war dann aber die ideale Technologie alle Menschen mit Nachrichten gleichzuschalten. Nazideutschland aber auch der Zuammenschluss der Allierten gegen Deutschland wäre ohne Radio nicht möglich gewesen. Das Fernsehen ist der logische Nachfolger für die „One Way“ Kommunikation von Oben nach Unten. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß zwei Gründe für den Sturz von Schah Pahlevi in Persien durch die Mullahs sein Plan zur Alphabetisierung des Landes und der Aufbau eines staatlichen Satelliten-Fernsehens (1973) waren. Hauptgrund war aber sicher, daß er den Mullahs keinen Anteil an den Einnahmen vom Oel geben wollte. Das ist eine der Wurzeln des heutigen Krieges in Nahost.

Das Internet bietet heute die Technik selbst als Einzelner mit der ganzen Welt zu kommunizieren und selbst äusserst spezielle Informationen zu finden. Das Monopol der „Oberen“ ist damit gebrochen.  Wir sind nicht mehr darauf angewiesen, daß uns die Politiker die Lage erklären. Die Wahlen in USA waren wohl die ersten Wahlen, die durch das Internet und nicht mehr durch das Fernsehen entschieden wurden.

Die bestehenden Unruhen in der Welt kann man als verzweifelten Rettungsversuch der traditionellen Machthaber deuten, die gegen den Verlust der Meinungshoheit und damit den drohenden Machtverlust kämpfen. Die Machthaber in China, Russland, Türkei u.a. suchen ihr Heil im lokalen Internet und totaler Überwachung. Die Machthaber in Uganda wollen sogar die von Bill Gates und Mark Zuckerberg finanzierten Internet Schulen verbieten, weil sie die Botschaften des „Führers“ nicht korrekt übermitteln.

Auf die Dauer werden aber immer mehr Menschen nicht mehr glauben, daß sie in der besten der möglichen Gesellschaftsformen leben und man vielleicht doch das eine oder andere „gelogene Wort“ korrigieren kann. Zur Zeit fehlt es aber noch an auf die lokalen Verhältnisse zugeschnittenen Ideen, wie sich die Gesellschaften entwickeln sollten.

Die Internet Gesellschaft gibt hier aber ein gutes Beispiel. Das Internet mit seinen Millionen von nützlichen Funktionen wurde von vielen Menschen ohne Steuerung von oben und in freiwilliger Zusammenarbeit entwickelt. Warum sollte das für eine Gesellschaft der Zukunft mit verteilter Infrastruktur und Human Apps nicht auch möglich sein. Gegner neuer Ideen wird es immer geben. Sie sind als ausgleichendes Element sogar notwendig. Die Gedanken waren aber schon immer frei, wenn man sie auch zeitweise unterdrücken konnte. Auf alle Fälle werden die nächsten Jahre spannend.

 

 

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