Ein Reifenwechsel beim Auto verursacht in Deutschland keine Kopfschmerzen. Man ruft bei der Werkstatt seiner Wahl und erhält einen gewünschten Termin. Fährt man dann mit dem Auto vor, bietet die Werkstatt z.B. einen Kaffee und einen Platz in der Sitzecke an, der Autoschlüssel wird übergeben und nach kurzer Zeit ist das Auto (und die Rechnung) fertig zur Abfahrt.
Will man dagegen in Deutschland einen Termin beim Arzt, wird es selbst beim Hausarzt schwierig. Wunschtermine gibt es nur für den Arzt und seine Helfer. Man muss schon froh sein, wenn man überhaupt zeitnah einen Termin erhält. Warten muss man aber meist doch noch stundenlang, weil der Arzt hoffnungslos mit schwierigen Patienten und Notfällen überlastet ist. Die deutsche Ärzteschaft und die Krankenkassen haben die Zahl der Medizinstudenten und Zulassungen begrenzt, so daß nicht genug Ärzte für die alternde Bevölkerung zur Verfügung stehen. In Krankenhäusern, Altersheimen, Rehakliniken usw werden gerne schlecht entlohnte ausländische Ärzte angestellt, die häufig schlecht Deutsch sprechen.
Kommt man in das Wartezimmer, sitzen dann viele Patienten mit Infektionen (speziell zur Grippesaison), die dann großzügig im Raum verteilt werden. Andere Keime werden von den Helfern und Patienten ebenfalls großzügig verteilt (geben Sie dem Arzt nicht die Hand!). Im Wartezimmer wird heftig telefoniert – man erklärt dem Arbeitgeber, daß es heute etwas länger dauert, versucht die Babysitter oder Altenpfleger zu überreden etwas länger zu bleiben usw. Dringt man dann bis zum Arzt vor, muß dieser versuchen, den Patienten möglichst schnell abzufertigen. Meist wird dann ein Folgetermin notwendig. Das Elend mit der Vergabe von Plätzen und Behandlungszeit beginnt dann wieder von vorne. Das ganze Verfahren wird durch Regeln, Gebührenordnung, Krankenkassen dominiert. Der Patient ist wesentliche Geldquelle des Systems und wird nicht als Kunde gesehen.
Das es auch anders geht, sieht man z.B. in Indien Doctor on Call Service
Hier kann man einen ambulanten Arzt (erfahren mit grauen Schläfen aber noch nicht senil) und zwei Assistenten/innen per Telefon oder Smartphone App buchen. Der Doktor kommt ins Haus. Kein Ärger mit den Kindern in der Schule, Eltern müssen sich nicht einen Tag frei nehmen wenn die Kinder zum Arzt müssen. Ältere müssen sich nicht in den öffentlichen Verkehr stürzen und den Rollator über Treppen bugsieren. Falls bei der Untersuchung festgestellt wird, daß Verbände angelegt oder sonstige Pflege notwendig ist, bleibt einer der Assistenten beim Patienten und der Rest des Teams geht zum nächsten Termin. Auf den ersten Blick scheint das ein sehr teures System zu sein. Für die Patienten und den Arzt ist es aber durchaus sinnvoll. Der Arzt muss keine aufwändige Praxis bezahlen und kann viele Fälle am Tag bearbeiten. Schwierige Fälle vermittelt er an Spezialisten und Kliniken weiter und erhält für den Erstbefund eine Entlohnung. Die teuren Praxen und Kliniken werden entlastet – verlieren aber an Umsatz, was durchaus im Sinne der Patienten ist. Der Patient kann beim Doctor on Call in einer Preisliste wie beim Pizza Service sehen, was die einzelnen Leistungen kosten. Wenn die Karnkenkasse nicht alles bezahlt, dämpft das die Nachfrage.
Das System setzt natürlich voraus, daß es genügend Ärzte und Pflegekräfte gibt. Das ist zumindest in den größeren Städten in Indien kein Problem. Indische Ärzte sind sehr gut ausgebildet, sprechen gut Englisch und werden in alle Welt „exportiert“. Dieses System kann sicher nicht eins zu eins nach Deutschland exportiert werden. Unsere Gesundheitsexperten sollten sich aber nach neuen Ideen in der Welt umsehen. Dazu muß nicht gleich der Gesundheitsausschuß des Bundestags nach Indien reisen. Man kann auch im Internet recherchieren.
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