Der wahre S21 Stresstest – die Bahnfahrer

So langsam zeichnet sich ab, dass die Gegner des S21 Projekts sich auf eine Farce, den Stresstest eingelassen haben. Wer erwartet hat, dass nach jahrelangem Diskutieren mit unterschiedlichsten Argumenten und Kenntnisständen jetzt endlich Vernunft einkehrt, sieht sich mal wieder getäuscht. Dabei war von Anfang an klar, dass es für ein so komplexes Projekt wie S21 keine einfache Lösung geben kann. Mit dem sogenannten Stresstest will die Bahn nachweisen, dass der neuen Bahnhof 30% mehr Züge abfertigen kann als der alte Kopfbahnhof. Das ist aber ein unsinniges Ziel weil niemand (auch nicht die neue grün-rote Landesregierung) die Bahn so stark subventionieren kann, dass tatsächlich bei abnehmender Bevölkerungszahl mehr Züge als bisher fahren. Es ist zwar interessant ob die Fahrpläne auch bei Störungen im Bahnhof eingehalten werden können. Das ist aber ziemlich irrelevant, da die meisten Verspätungen im Fern- und Regionalverkehr ausserhalb des Bahnhofs verursacht werden. Diese Verspätungen fängt auch ein leistungsfähiger Bahnhof nicht auf.

Beim Stresstest wird aber leider nicht untersucht, wie die Bahnfahrer von und zu ihren Zügen kommen. Das ist beim geplanten unterirdischen Bahnhof mit den chrakteristischen Ingenhoven Säulen auf den Bahnsteigen nicht ganz einfach – EngpasS21 zeigt das schon seit langem auf . Typisch ist z.B. ein Szenario wie es neulich am Stuttgarter Bahnhof zu erleben war.

Eine ältere Dame will an einem Mittwoch mit dem ICE um 8:51 vom Hbf Stuttgart zum Flughafen Frankfurt fahren. Anfahrt zum Hbf  erfolgt gezwungenermaßen zeitraubend aber umweltgerecht mit der S-Bahn (der Kurzparkplatz an der Nordseite des Bahnhofs ist bei den Bauarbeiten verschwunden), die natürlich am Morgen voll belegt ist. Zum Glück findet sich gerade noch ein Pläzchen für die Dame – die Begleitung und ihr Ziehkoffer müssen natürlich in der S-Bahn stehen. (Da bringt der neue S21 Bahnhof natürlich keine Verbesserung!) Ein Platz im Großraumwagen Nr. 1 ab Stuttgart ist gebucht. Leider kann man im Internet nicht einfach nachsehen an welchem Gleis der ICE abfährt. Also  (versuchen Sie mal einen Gleisplan für den Hbf Stuttgart zu finden!) muss man viel Zeit einplanen, um das richtige Gleis nach Ankunft am Bahnhof zu finden. Am Bahnhof ist gähnende Leere. Nur auf einigen Gleisen stehen ein paar wartende Züge. Man sieht nicht wirklich ein, warum Stuttgart einen größeren Bahnhof braucht. Den Bahnfahrer interessieren nun die anderen Bahnsteige wenig. Es kommt darauf an, wie es an dem Bahnsteig aussieht, an dem er abfahren will.

Nach Zuglaufplan am Bahnsteig ist der Wagen 1 mit dem reservierten Platz ganz vorne – also heißt es erst einmal 200 m auf dem Bahnsteig nach vorne zu laufen. Das ist nicht ganz einfach, da viele Reisende auf den Zug am Nachbargleis warten und die alten Stuttgarter Bahnsteige in der Mitte mit allerlei Zusatzbauten verunstaltet wurden. Trotzdem sind die begehbaren Seitenstreifen noch breiter als beim geplanten S21 Tiefbahnhof mit den Säulen Hindernissen. Da der ICE nach Frankfurt in Stuttgart eingesetzt wird, hätte man eigentlich genug Zeit den gebuchten Platz einzunehmen – den Tip gab es von einem freundlichen Angestellten der DB. Leider läuft aber ein verspäteter ICE auf dem geplanten Abfahrtsgleis ein. Als dieser dann ausfährt und der ICE nach Frankfurt einfährt ist die Zeit schon ein bischen knapp. Zur allgemeinen Überraschung ist die Zugfolge aber falsch – Wagen 1 ist nicht vorne sondern hinten. Das liegt aber nicht am Stuttgarter Kopfbahnhof sondern an der Organisation bei der Bahn! Nun heißt es mit der älteren Dame rasch die 200 zum anderen Ende des Bahnhofs zu spurten. Das ist nicht ganz einfach weil am Nebengleis auch demnächst ein ICE abfahren soll und alle Fahrgäste nach vorne eilen. Diese wissen noch nicht, dass auch ihr Zug in der falschen Reihenfolge abfährt und der Wagen 1 wegen Defekt geschlossen ist und sie demnächst wieder nach hinten eilen müssen! Kommt man dann am Wagen 1 an, so sind im Großraumwagen der 2. Klasse die kümmerlichen Plätze im Regal für das Gepäck voll belegt. Die ältere Dame wird ihren Rollkoffer wohl auf der ganzen Fahrt nach Frankfurt im Gang vor den Mitreisenden veteidigen müssen.

Spielt man dieses Szenario beim geplanten S21 Tiefbahnhof durch und denkt noch daran, dass viele ältere Fahrgäste von anderen Gleisen nur mit Fahrstühlen ihr Zielgleis erreichen können, so ist das Chaos auf den schmalen durchgehend begehbaren Streifen neben den Ingenhoven Säulen wohl perfekt. Nach Meinung eines erfahrenen Baustatikers sind die Säulen auch zu dünn geplant. Man wird den Durchmesser der Säulen wohl noch vergrößern müssen. Dann bleibt für die Fahrgäste und ihre Ziehkoffer noch weniger Platz.

Interssanterweise gibt es bei der S21 Planung und auch beim Stresstest keine Aussagen darüber, wie sich die Wege der Fahrgäste verlängern und sich die Umsteigzeiten speziell für Ältere und Behinderte verlängern. Das ist aber typisch für die Planung der Bahn, die ihre Kunden mehr als Störfaktor und nicht als Zahlmeister begreift. Die K21 Befürworter sind aber auch vorwiegend Märklin Fans und Fahrplanexperten, die wohl nur selten die harte Realität der Kunden der deutschen Bahn erleben.  Hauptsache die Züge fahren pünktlich – ob da Kunden drin sind und wie sie zu ihren Plätzen gekommen sind interessiert in der Planung und auch in den Chefetagen wohl niemanden.

Es fehlt auch ein zeitgemäßes Konzept wie sich in Zukunft die für das Land Baden-Württemberg wichtige eMobility und der Zugverkehr ergänzen und der Zugverkehr damit attraktiver wird. Für einen großen unterirdischen Parkplatz für Elektrofahrzeuge ist in Stuttgart mit S21 sicher kein Platz. Mir ist auch nicht bekannt, dass die freiwerdenden Flächen am Bahnhof für großzügige Parkplätze und attraktive Zufahrtswege zum Bahnhof genutzt werden sollen. So gesehen ist S21 (aber auch K21) ein Projekt des 19. Jahrhunderts und hat wirklich keine Zukunftsperspektive.

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IT New Products Research, Development & Key Account Consulting, Lead Consultant Ex University of Stuttgart, Memory and Logic Design Research, Quantum Memory. Ex IBM New Software Development & Management. Graphic System Product Development, 801 System Design System (Research), New Products Design Manager, Smartcard Security, Edge Computing, AI Signature Validation, IBM Portal Server. Customer Projects: Banking, Health, Automotive
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