Flugfeld Böblingen_Sindelfingen – Vorbild für S21 Rosensteinviertel?

Wer schon heute eine Ahnung davon bekommen will, wie das vielgepriesene Stuttgarter Rosensteinviertel (Fläche 100 Hektar) aussehen wird, sollte sich mal das im Entstehen begriffene Flugfeld (Fläche 80 Hektar) an der Markungsgrenze von Böblingen und Sindelfingen ansehen. Beide Gebiete sollen auf einer ehemaligen Industriebrache entstehen, die auf zwei Seiten von großen Straßen (Flugfeld -Autobahn und Bahnlinie) (Rosenstein – B27 und B14) sowie an den zwei anderen Seiten von stark befahrenen lokalen Straßen begrenzt wird. Das Flugfeld wird zusätzlich an den Schmalseiten von den horizontalen Gewerbegebieten von Sindelfingen und Böblingen begrenzt. Die ahnungslosen ersten Bewohner freuen sich da natürlich über die schöne Beleuchtung in der Nacht, die sie bisher so nicht kennen. Es ist natürlich sinnvoll alle Gebäude CO² frei zu bauen, weil von den umliegenden Straßen die schnellen Fahrzeuge der Schwaben genügend CO² und Feinstaub produzieren. Interessanterweise hat Oberbürgermeister Schuster (der Europa Städtemeister) Experten aus Österreich, Niederlande u.a. eingeladen, um deren Erfahrungen bei der Stadtplanung in das S21 Projekt einzubringen. Von den Experten und direkten Konkurrenten aus der Nachbarschaft scheint er nicht viel lernen zu wollen.

Das Gelände sowohl des Rosensteinviertels als auch das Flugfelds wurden komplett von den Städten aufgekauft und werden in Eigenregie vermarktet. Man kann das Ergebnis also nicht auf die bösen Investoren schieben, die immer nur ihren Profit sehen. Allerdings übernahm Böblingen/Sindelfingen eine Brache von der Bundesvermögensverwaltung und man musste nicht Milliarden in Umbauten investieren, damit die Fläche überhaupt frei wird.

 

Auf dem Plan des Flugfelds sieht man die üblichen Gebäudeklötzchen angeordnet, die mit etwas Grünfläche und sogar einem betonierten langen See garniert sind. Die Grünflächen liegen natürlich zum großen Teil an den lauten Verkehrswegen, weil dort wohl niemand wohnen will. Der Anteil der Grünflächen ist beim Flugfeld mit etwa 20 % (200 000 m² hört sich natürlich besser an) ähnlich wie beim Rosensteinviertel. Wollen sich die Stuttgarter mal vorab ein Bild machen, wie denn ihr großartiger Park aussehen wird, sollten sie sich mal den Park auf dem Flugfeld anschauen. Empfohlen wird, sich an einem lauen Sommerabend mit einem Ghetto Blaster, ein paar Six Packs und einer Flasche Wodka den Geselligkeiten am langen See anzuschließen, die den ersten Anwohnern und der Müllbeseitigung viel Freude bereiten.

Die Nutzung des Flugfeld Geländes gestaltet sich sehr problematisch. Ursprünglich war einmal gedacht, dass sich Daimler, auf dem Flugfeld ansiedelt. Leider baut Daimler seine neuen Werke aber lieber dort wo die Arbeitskräfte billiger sind als im Raum Stuttgart. Für die Erweiterung der Entwicklungsabteilungen bietet die Stadt Sindelfingen genügend Fläche im Anschluss an das bestehende Fabrikgelände.  Damit ist für das Flugfeld kein großer Kunde in Sicht, der auch eine hohe Gewerbesteuer bezahlen würde. Ähnlich ist es im Rosensteinviertel, wo wohl die Träume vom internationalen Banken- und Dienstleistungsviertel ausgeträumt sind.

Interessant ist wie viele Vorteile die beiden Viertel den Städten und deren Bevölkerung bringen sollen.
______________________ Fläche ______ Bewohner ___  Arbeitsplätze
Flugfeld                                           80 ha                   4000                           7000
Rosensteinviertel  (Quelle)         100 ha                 11000                        24000

Man sieht sofort, dass es bei den versprochenen Vorteilen des Rosensteinviertels wohl nicht mit rechten Dingen zugehen kann.

Bei der Nutzung des Geländes ist das Flugfeld schon wesentlich weiter als der Stuttgarter Oberbürgermeister, der das Rosenstein Gelände nicht nur für die Industrie sondern auch für die Freizeit in Zukunft zu nutzen gedenkt. Bei der verzweifelten Suche nach Nutzern des Geländes ist man in Böblingen/Sindelfingen zuerst mit zwei industriellen Freizeiteinrichtungen handelseinig geworden. Man hat eine Freizeiteinrichtung für Ältere (die nicht mehr Golf spielen können) Meilenwerk (alles rund um Oldtimer) und Sensapolis – die Stadt der 1000 Abenteuer (ein Indoor Spielecenter für die Jugend weil man ja auf den Straßen nicht mehr Spielen kann) als die wichtigsten Strukturelemente des neuen Geländes angeworben. Herr Schuster ist mit seinem Science Center ja auf einem ähnlichen Trip. In Stuttgart müssen aber die Bürger die Zeche zahlen.

Investoren, die auf dem Flugfeld große Einrichtungen mit vielen Arbeitsplätzen bauen sind zur Zeit nicht in Sicht. Die IBM ist mit mehr als 1000 Mitarbeitern gerade in Stuttgart aus und in ein neues Verwaltungsgebäude eingezogen – idyllisch am Waldrand in der Böblinger Nachbargemeinde Ehningen etwa 2 km vom Flugfeld gelegen. Die Flugfeld Entwicklungsgesellschaft versucht nun mit allen Tricks, Gebäude auf dem Gelände errichten zu lassen. Dabei sollen private Investoren das Kapital für die Gebäude geben, die dann von dubiosen Firmen mit Vertrag für 20 Jahre angemietet werden. So wird den Investoren Sicherheit vorgegaukelt. Wenn diese Firmen dann in zwei Jahren Konkurs anmelden, ist eben etwas schief gelaufen.

Den Stuttgartern Bürgern kann für die nächsten Jahre das regelmäßige Betrachten der Webcam des Flugfelds empfohlen werden.  Da können sie die Freude der BöSifi Bürger, welche diese bei der Entstehung des neuen Viertels empfinden, teilen. Ganz Mutige sollten aber mal einen Besuch wagen – entweder im Oldtimer oder mit der S-Bahn zum Böblinger Bahnhof (vom Besuch der Toiletten wird allerdings abgeraten). Man sollte aber möglichst nicht an einem windigen Sommertag kommen, da pfeift nämlich der Wind durch die Frischluftschneise und wirbelt Sandwolken wie in der Sahara auf. Auch sollten sie nicht versuchen, mit den Bauarbeitern am Böblinger Bahnhof ins Gespräch zu kommen – man spricht nicht deuts!

Nachtrag 20.3.2013

BB-Flugfeld-LangerSeeInzwischen hat sich der Lange See auf dem Flugfeld etwas entwickelt. Er bietet tatsächlich einen schönen Blick entlang seiner Längsachse in Richtung Westen zum Heckengäu. So etwas wäre auch in Stuttgart mit einer Sichtachse zum Rotenberg denkbar. Inzwischen benutzen auch einige Senior Jogger den Weg um den See als Trainingsstrecke. Für Fußgänger, die vom Bahnhof Böblingen (da wird schon seit 3 Jahren umgebaut – ohne Tiefbahnhof) auf die andere Seite des Sees wollen, ist der See aber sehr hinderlich. Der scharfe Wind der hier immer weht ist meist unangenehm und hilft dem Stadtkern von Böblingen nicht. Inzwischen hat sich ein modernes Ärztezentrum (eine Hand desinfiziert die andere) mit Ärzten aus der Innenstadt hier angesiedelt. Mit dem Effekt, dass sich die Geschäfte in der Innenstadt über Besucherrückgang beklagen und aufgeben. Harley Davidson nimmt demnächst ein Show Gebäude in Betrieb. Das bringt wenig Gewerbesteuer aber wenigstens an den Wochenenden etwas Betrieb auf das Gelände – sehr zur Freude der Mieter in den Wohnhäusern.

Inzwischen ist es der Flugfeld-Planung auch gelungen einen großen Service Betrieb MBTech (ein billiger Ableger der Daimler Entwicklung) mit über 3000 Mitarbeitern zur Ansiedlung (in geleasten Gebäuden) zu bewegen. Das schafft aber keine neuen Arbeitsplätze. Die Mitarbeiter ziehen von verschiedenen Gebäuden in Sindelfingen in das neue Gelände um. Die alten Gebäude stehen dann anschließend leer. Nachmieter wird man bei der jetzigen Lage nicht finden. Immerhin ist es gelungen, einen großen Arbeitgeber am Standort zu halten.

Da die Investitionen für die Erschließung des Flugfelds zwar hoch, aber für die reichen Gemeinden Böblingen und Sindelfingen tragbar sind, kann man sich mit der Erschließung etwas Zeit nehmen. In Stuttgart wird man relativ schnell bauen müssen, weil des Gelände extrem teuer war.  Finanziert wurde das ja auf Pump durch Verkauf der Stadtwerke, die man jetzt wieder zurück kaufen möchte.

Nachtrag 31.3.2013

Nun wird eine Brücke über den langen See geplant, weil Industriebetriebe sich weigern auf der vom Bahnhof abgewandten Seite Gelände zu kaufen. Der schöne Blick entlang des Sees ist dann natürlich weg.

Inzwischen wohnen tatsächlich etwa 4000 neue Einwohner auf dem Flugfeld. Der Bürgermeister jubelt, dass auch etwa 200 Kinder (5%) auf dem Flugfeld wohnen. Der Bürgermeister meint, dass das Gebiet offensichtlich attraktiv für junge Familien ist. Es ziehen tatsächlich viele junge Paare (Doppelverdiener) auf das Flugfeld. Sobald sie aber Kinder bekommen und heiraten ziehen sie weg.

Die Ansiedlung von größeren Industriebetrieben macht offensichtlich Probleme. Die neueste Idee ist, die bestehenden und frisch renovierten Krankenhäuser in Böblingen und Sindelfingen abzureißen und ein neues Großklinikum auf dem Gelände an der Straße zu bauen. Das kostet die Städte dann viel Geld und bringt nicht den riesigen Zuwachs an Gewerbesteuer, den man sich erhofft hat.

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2 Antworten zu Flugfeld Böblingen_Sindelfingen – Vorbild für S21 Rosensteinviertel?

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