Soziologie der Finanzkrise – warum die Politik gegen den Markt verliert

Die Akteure in der Finanzkrise, Politiker und Banker, bewegen sich sowohl in der Technik als auch beim Personal in völlig unterschiedlichen Welten. Die Banker (Märkte) arbeiten mit den besten verfügbaren technischen Hilfsmitteln: schnelle Netze für die Kommunikation, schnelle Computer mit ausgefeilten Analyse- und Handelsplattformen sowie Zugriff auf Top Programmierer, die in der Branche durchaus mal > 1 M $ verdienen können.  Notwendige Anpassungen der Software werden quasi über Nacht gemacht (was auch gefährlich werden kann). Für den Trading Room der Banken war schon immer das Beste gerade gut genug.

Den Politikern und speziell den Abgeordneten steht diese ganze Technik nicht zur Verfügung – sie könnten damit auch nichts anfangen. Wenn Sie Glück haben, können sie von externen Experten Daten anfordern oder können Meldungen von Feld-Wald und Wiesen Nachrichtendiensten auswerten. Diese Informationen sind bei der heute üblichen Dynamik der Märkte meist schon obsolet, wenn sie herausgegeben werden. Analysewerkzeuge und -spezialisten stehen den Politikern nur begrenzt zur Verfügung und sind meist nicht auf der Höhe der Zeit. (Dazu muss man sich nur das Finanzberaterteam der Bundeskanzlerin anschauen!).

Noch wichtiger als das technologische Vorsprung der Banker ist aber die Qualität und die Sozialisierung ihrer Akteure. Ein schönes Beispiel brachte neulich die Zeit (Wer regiert hier eigentlich?  DIE ZEIT No 41 6.Oktober 2011) indem sie zwei typische Akteure vorstellte.

Der Politiker, war der junge FDP Politiker Florian Toncar (32), der es immerhin schon zum Mitglied im Haushaltsausschuss gebracht hat und zu den Hoffnungsträgern der FDP zählt. Der junge Mann, Typ Mutti’s liebster Schwiegersohn, ist durchaus intelligent, fleißig und eloquent und in seinen Bemühungen durchaus glaubhaft. In seinem Ortsverein hat er fast als einziger der Jung FDPler den typischen Knochenjob des Plakateklebens bei der Wahl so gut ausgeführt, dass ihn seine FDP Kollegen nominiert haben, wohl weil die alten Platzhirsche sich nicht einigen konnten und auch nicht glaubten, einen Sitz im Bundestag gewinnen zu können.  Florian Toncar ist in einer typischen, gehobenen Mittelschichtumgebung aufgewachsen. Not und echte harte Arbeit hat er wohl auch in seiner Familie noch nie gesehen. Er hat keinerlei Erfahrung mit den Usancen in der Finanzbranche, glaubt sicher noch an das Gute im Menschen und dass die FDP ihn ganz dringend braucht. In Summe ein guter, aufrechter Abgeordneter, der sich Mühe gibt seinen Job bestmöglichst auszufüllen und keine veröffentlichungspflichtigen Nebeneinkünfte hat. Trotzdem hat er noch Zeit eine Doktorarbeit zu schreiben, für die man sich ja heutzutage etwas mehr Zeit nehmen muss.

Der typische Banker Andrew Boomsworth (42) ist Trader bei der Allianz(PIMCO) in München und verantwortet 122 Milliarden $ etwa 100 Mrd €, die vor allem in Staatsanleihen angelegt und immer wieder umgeschichtet werden. (Zum Vergleich – der EU Jahresetat ist etwa 100 Mrd € um die sich u.a. 736 EU Abgeodnete kümmern!). Ziel von Andrew Boomsworth ist es, die 100 Mrd € nicht auszugeben sondern damit eine Rendite von  > 5 % (besser 8%) zu erreichen und zwar nicht  nur virtuellen Zuwachs sondern echten Cash Flow von 5 Milliarden €, den man jetzt braucht um  die versprochenen Renten und Lebensversicherungen auszuzahlen. Andrew kommt aus Neuseeland und musste sich von ganz unten hoch arbeiten und weiß dass er seinen Job verlieren wird, wenn er nicht genügend Gewinn für seinen Arbeitgeber macht. Banken bevorzugen für die Trader Jobs „hungrige“ Talente (siehe Jerome Kerviel  , Kweku Adoboli ) . Im Film der Der Große Crash wird das soziale Umfeld im Trading Room ganz gut dargestellt. Ganz wichtig für den Trader ist sein Netzwerk von Kollegen in der ganzen Welt mit denen er Informationen austauscht und mit denen er dealt. Um erfolgreich zu sein, muss man „dazu gehören“, mehr können als der Rest und auch skrupellos sein, wenn man den Partner zum Vorteil des eigenen Arbeitgebers mal über den Tisch ziehen muss. Der Trading Room ist kein Kindergeburtstag oder ein Kinderfest beim Bundespräsidenten.

Wurde bisher von den Banken viel Druck auf die Trader gemacht um den Gewinn für die Banken zu erhöhen, so geht es jetzt darum, beginnend in USA aus dem angelegten Vermögen genügend Geld für die immer zahlreicher werdenden Rentner herauszuziehen. Ist eine Staatsanleihe fällig, wird nicht automatisch wieder in Staatsanleihen investiert. Durch die Niedrigzinspolitik der USA haben sich die Zinseinnahmen in USA um 400 Milliarden $ pro Jahr vermindert (The Dark Side Of Low Interest Rates) . Die fehlen jetzt den Rentenkassen. Vom Verkaufen von Staatsanleihen wird man auch nicht mehr reich. Wer will schon verkaufen wenn 50% Verlust drohen.

Betrachtet man die technische und auch soziale Umgebung der Politiker und der Banker ist wohl klar, wer die Schlacht gewinnen wird.

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