In einer der üblichen Talkshows zum Desaster beim Bau des Berliner Flughafens war eigentlich nur eine kleine Seiteninformation interessant. Die Chefin eines kleinen Subsubunternehmers mit 20 Mitarbeitern berichtete, dass alle ihre Monteure wussten, dass der Bau schiefgeht. Mit Sicherheit haben aber auch alle Teilnehmer am Bau, die Planer, die Ingenieure, die Projektmanager usw gewusst, dass das Projekt auf vielen Ebenen aus dem Ruder gelaufen ist. Aber keiner hat sich getraut öffentlich etwas zu sagen. Für das große Schweigen gibt es viele Gründe:
- Arbeitnehmer sind per Arbeitsvertrag zum Schweigen verpflichtet. Wer gegen diese Regel verstößt, ist schnell arbeitslos und findet sicher auch so schnell keinen Job bei einer anderen Firma.
- Firmen, die Kritik am Auftraggeber äussern, bekommen wahrscheinlich in Zukunft nicht nur beim Auftraggeber sondern auch in der Branche keine Aufträge mehr.
- Nachdenkliche Kritiker (die auch noch Recht haben) machen sich in jeder sozialen Gruppe unbeliebt
- Je länger die Arbeiten dauern und je mehr Pfusch zu reparieren ist, desto höher ist der Verdienst der Auftragnehmer.
- Politiker sind mehr an Arbeitsplätzen als an der Fertigstellung interessiert. Herr Platzek möchte z.B. seine Jobmaschine BER-Bau nicht vor der nächsten Wahl stoppen. Das würde nur die Arbeitslosigkeit erhöhen und die generelle Strukturschwäche der Region aufzeigen.
- Niemand möchte Fehler eingestehen (siehe Warum dumme intelligente Leute (DIL) dumme Ideen verteidigen)
- Die Projektaufsicht handelt vorwiegend „politisch“ und/oder ist inkompetent.
- Die Verursacher werden an den Mehrkosten und dem entstandenen Schaden nicht beteiligt.
Beim Bau des neuen Stuttgarter Bahnhofs (S21) haben aber offensichtlich die Experten nicht geschwiegen und beliebig viele Fehler in Planung, Kostenrechnung, Wirtschaftlichkeit und Betriebskonzept des neuen Bahnhofs aufgedeckt. Die kritischen Experten kamen aber alle von außen oder wurden von der Bürgerbewegung beauftragt. Die Bürger haben sich die Auskunft und teilweisen Zugang zu den internen Dokumenten der Bahn politisch erstritten. Üblicherweise handeln die Projektverantwortlichen nach der Devise – wer nicht näheres weiß kann auch nicht solide argumentieren. Der fachliche Protest bei S21 wurde vorwiegend von pensionierten Ingenieuren und Bahnangestellten getragen, die nicht mehr der Branchen-Omerta verpflichtet sind. Diese Experten sind natürlich für „Macher“ weit mehr gefährlich als ein paar Sozpäds Protestler, die nur begrenzt auf technischer Ebene argumentieren können.
Eine Studie der BP über die Demonstranten „Gutsituiert protestiert“ die in der FAZ erschienen ist, identifiziert die älteren, unabhägigen Ingenieure als die Neinsager der Nation, die jeglichen Fortschritt in Deutschland abwürgen, weil sie ja kinderlos sind und an der Zukunft gar kein Interesse haben. Dabei wird gerne vergessen, dass es genau diese Generation war, die den wirtschaftlichen Aufschwung nach dem Krieg geschafft hat. Diese Protestler haben häufig 60 Stunden Wochen gearbeitet und keine Zeit gehabt, sich nebenbei nach einer jungen Gespielin umzusehen, die ihm noch im Alter mit seiner Pension und Witwenrente Kinder schenkt und großzieht. Das scheint nur bei älteren Politikern Usus zu sein. Die Protestler sind zwar zur Zeit kinderlos haben aber Kinder und Enkel, um deren Zukunft sie sich sorgen.
Eigentlich müssten die Mitglieder des Aufsichtsrats solche „Riesendummheiten“ (gibt’s auch bei großen Firem wie Krupp, Daimler, Siemens, usw) rechtzeitig erkennen. Speziell die Aufsichtsratsmitglieder, die von der Gewerkschaft gestellt werden, müssten eigentlich einen guten Draht zur Belegschaft haben. Aufsichtsratsmitglieder können jederzeit interne Dokumente einsehen und eine Aufsichtsratssitzung einberufen, wenn Handlungsbedarf besteht. Es ist unerklärlich dass z.B. die Aufsichtsräte der Bahn nicht selbst aktiv wurden als der kritische Stand des Projekts S21 landauf landab diskutiert wurde. Offensichtlich begnügt man sich mit der Rolle des bezahlten Dulders. Hauptsache die Quote stimmt!
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