Statistiken zur Sonntagsfrage bei Statista
Mit der Erststimme hat der Wähler nur einen ganz geringen Einfluß auf die Zusammensetzung des Bundestages. Die meisten Wahlkreiskandidaten der Parteien sind über die Landesliste abgesichert. Sie kommen in den Bundestag egal wieviele Erststimmen sie erhalten. Nur bei ganz „sicheren“ Wahlkreisen verzichtet der Wahlkreiskandidat schon mal auf die Absicherung über die Landesliste. Auch hier kann der „Schafwähler“ nur seine Stimme abgeben – ändern kann er nichts. Dies wird am Beispiel einer Bundestagswahl in Baden-Württemberg aufgezeigt.
Nimmt man eine Verteilung der Wählerstimmen gemäß obiger Umfrage (was immer diese Wert ist) so ergibt sich für die Bundestagswahl 2013 für Baden-Württemberg folgende Sitzverteilung bei 38 Wahlkreisen in Baden-Württemberg (76 Abgeordnete) für konventionelle Wahlen (Sitze) und alternativ eine Wahl bei der 5 Sitze von Freien Abgeordneten mit Direktwahl (Sitze mit DW) erobert werden.
Partei Stimmen Sitze Sitze mit DW Wahl 2009
Direkt – – 5 –
CDU 40 % 35 32 37
SPD 27% 23 22 15
Grüne 15% 13 12
Linke 6% 5 5
FDP 4% – –
Piraten 4% – –
Sonst. 4% – –
Überhangmandate würde es bei dieser Konstellation in Baden-Württemberg nur geben, wenn in mehr als 35 Wahlkreisen der CDU Kandidat direkt gewählt wird. Bei der Bundestagswahl 2009 wurden von der CDU 37 von 38 Wahlkreisen direkt gewonnen (Nur Freiburg wählte einen SPD Kandidaten). Alle CDU Bundestagsabgeordneten wurden also direkt gewählt und haben damit eine starke Legitimation von den Wählern. Die Landesliste war bei der CDU irrelevant. Bei SPD, GRÜNE, FDP und LINKE zogen alle (bis auf einen SPD Abgeordneten) über die Listen ins Parlament. Da hat der Wähler wenig Einfluss auf die Auswahl der Kandidaten. Wähler der SPD und der Grünen haben ein spezielles Problem. Viele Wahlkreise werden überhaupt keinen Abgeordneten „ihrer“ Partei in Berlin haben. Speziell die SPD schickt eigentlich nur Abgeordnete über die Landesliste aus den ländlichen Wahlkreisen nach Berlin (siehe SPD Landesliste in B-W – Landeier nach Berlin).
In Baden-Württemberg gibt es eigentlich nur wenige sinnvolle Alternativen für die Erststimme:
- Der überzeugte CDU Wähler , der sowohl mit seinem Kandidaten für den Wahlkreis und der Partei insgesamt zufrieden ist, wählt mit Erst- und Zweitstimme CDU. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sein Wahlkreiskandidat in den Bundestag einzieht. Die Landesliste der CDU ist für die Auswahl der Kandidaten irrelevant. Die Zweitstimme entscheidet allerdings über das Verhältnis der CDU Abgeordneten im Bundestag und über die Überhangmandate. Je mehr die CDU mit der Zweitstimme unter 50% bleibt desto mehr Überhangmandate gibt es für die anderen Parteien.
- Der taktisch wählende CDU Wähler wählt mit seiner Erststimme den aussichtsreichen CDU Direktkandidaten und gibt seine Zweitstimme der FDP. Damit kann man eventuell einige wenige Prozentpunkte für eine schwarz- gelbe Koalition retten. Das kann aber wie in Niedersachsen auch ins Auge gehen und erhöht die Wahrscheinlichkeit für Überhangmandate. Eine massive Unterstützung der CDU Anhänger durch Leihstimmen für die FDP würde zu vielen Überhangmandaten führen. Neueste Umfragen zeigen aber keinen Trend zu Leihstimmen für die FDP von der CDU .
- Der überzeugte SPD, GRÜNE, FDP, LINKE Wähler wählt mit der Zweitstimme seine Partei, wählt aber mit der Erststimme den aussichtsreichsten Kandidaten aller „Kleinparteien“. Wahrscheinlich haben nur ganz wenige (<3) Direktkandidaten der anderen Parteien ohne „Leihstimmen“ der anderen Parteien eine Chance, das Direktmandat zu gewinnen. Interessant wird z.B. der Versuch des Grünen Cem Özdemir das Direktmandat mit Hilfe der SPD Wähler im Wahlkreis Stuttgart 1 zu gewinnen. An der Sitzverteilung zwischen den Parteien ändert das gar nichts – man hat aber wenigstens einen guten Kompromißkandidaten ins Parlament gewählt.
- Der Wähler, der mit dem Betrieb der etablierten Parteien nicht zufrieden ist, sollte sich nicht der Wahl enthalten sondern einen Freien Abgeordneten mit seiner Erststimme wählen und seine Zweitstimme der Partei des geringsten Übels geben, die mit Sicherheit über die 5% Hürde kommt. Erreicht der Freie Abgeordnete seiner Wahl im Wahlkreis eine Mehrheit, so verringert sich dadurch die Zahl der Abgeordneten der etablierten Parteien im Bundestag. Die Wahrscheinlichkeit für Überhangmandate der CDU wird gleichzeitig verringert. Erreicht der Kandidat nicht die Mehrheit, greift wie üblich die Zweitstimme des Wählers. Dann muss man eben die nächste Legislaturperiode mit den Aktionen der etablierten Parteien leben.
PS Wer eine kleine Partei wählt, die an der 5% Hürde scheitert, hat keinerlei Einfluss auf die Zusammensetzung des Bundestages läßt aber der Partei seiner Wahl einige Euro als Wahlentschädigung zukommen sofern die Partei mehr als 1% der Stimmen erreicht.