Die Deutschen dürfen mal wieder 96 EU Abgeordnete wählen. Sie haben die „Wahl“ ihre Stimme einer Liste zu geben, deren Kandidaten von den Parteien aufgestellt wurden. Ausser vielleicht den Spitzenkandidaten kennen sicher über 90% der potentiellen Wähler keinen Kandidaten auf den Listen. Beispielhaft ist die #2 auf der SPD Liste: Birgit Sippel. Als gelernte Fremdsprachenkorrespondentin (offensichtlich kann sie wenigstens eine Fremdsprache) und Tätigkeit im Büro eines SPD EU Abgeordneten hat sie gelernt was man für eine Führungsposition im Europa Parlament können muss. Die SPD tritt mit einer Bundesliste an, die Kandidaten haben damit fast keine Bezüge zu den Wählern mehr. Das einzige erkennbare Kriterium für die Auswahl der SPD Kandidaten scheint das Geschlecht zu sein. Brav wie sich das heute gehört wechseln sich Männlein und Weiblein auf der Liste ab. Den Spitzenplatz hat aber nach wie vor ein Mann.
Die CDU tritt mit EU Wahl Landeslisten an. So vermeidet man den sonst unvermeidlichen Streit mit der CSU! Damit haben die Kandidaten wenigstens eine geringe Chance, bei ihren Wählern etwas bekannt zu werden. Das Männlein/Weiblein Spiel wird bei der CDU in Baden-Württemberg etwas variiert. Kandidat ist in der Regel ein Mann, die Frauen werden unter der Rubrik Ersatz: geführt. Nur eine Frau hat es auf einen aussichtsreichen Platz gebracht. In Werbung und Öffentlichkeitsarbeit versprechen alle Kandidaten der Chefin Angela Merkel in Europa zu dienen. Eigene Meinungen sind unerwünscht. Das ist auch im EU Parlament ziemlich unerheblich. Durch die unterschiedliche Gewichtung der Stimmen entfällt auf 829 000 Deutsche ein EU Abgeordneter. Luxemburg kann für je 82 000 Bürger einen Abgeordneten zur EU schicken – da freut sich Herr Juncker, den die Bürger nicht mehr im eigenen Land wollen. Sogar noch schlechter als für die Bürger Deutschlands werden die Bürger aus Frankreich, Großbritannien, Spanien und Italien repräsentiert. Diese Stimmengewichtung ist eine nette Geste an die kleineren Länder hat aber mit einer demokratischen Wahl einer Vertretung nichts zu tun (one man – one voice). Schon damit entlarvt sich das EU Parlament als eine eigentlich undemokratische Versammlung von Repräsentanten, die ja auch nach den geltenden EU Statuten keine wirkliche Entscheidungsgewalt haben (zum Glück).
Es ist damit kein Wunder, dass die meisten Bürger an den EU Wahlen kein Interesse haben. In einigen Bundesländern koppelt man die EU Wahl zum Zwecke der Erhöhung der Wahlbeteiligung mit den Kommunalwahlen und begründet dies damit, dass man damit Kosten sparen könnte. Die Bayern scheren da aus – die sind an einer hohen Wahlbeteiligung bei den EU Wahlen nicht interessiert. Entschieden wird in Bayern in München und nicht beim Bund oder in der EU!
In Baden-Württemberg ergibt sich dadurch eine groteske Situation. Bei den Wahlen zum Gemeinderat können die Bürger Kumulieren (dem Kandidaten ihrer Wahl mehrere Stimmen geben) und Panaschieren (Kandidaten von einer Liste auf eine andere Übernehmen). Bei den EU Wahlen können sie aber nur nach der Methode „Friß Vogel oder stirb“ die Listen der Parteien absegnen. Machen sie ihr Kreuz bei der SPD, stimmen sie für eine Bundesliste ab. Bei der CDU stimmen sie aber für eine Landesliste. Direktkandidaten wie z.B. bei der Bundestagswahl gibt es nicht. So können die Parteien ihre Hinterbänkler zur EU schicken. Auf die EU kann man das Tohuwabohu bei der Wahl in Deutschland nicht schieben. Die Wahlordnung der EU läßt anders als bei vielen EU Gesetzen denn Ländern viele Freiheiten damit die Wähler ähnlich wählen können wie bei der Wahl der nationalen Parlamente. In Irland ist z.B. Kumulieren mit Vorzugsstimmen und Panaschieren erlaubt.
Das Verfahren zur Europa Wahl in Deutschland ist undemokratisch. Als Konsequenz sollten die Wähler den Parteien keine demokratische Legitimation durch Wahlen geben und sich nicht an der Wahl beteiligen.
Nachtrag: Nachdem mir mein Bürgermeisteramt die Wahlzettel für die anstehenden Wahlen zugeschickt hat, stellte ich verblüfft fest, dass Wahlzettel für Gemeinde, Kreistag und Region im Umschlag waren. Man kann sich also die Wahllisten und die Kandidaten in Ruhe anschauen, sich informieren und dann wählen – sehr gut. Die Wahlzettel für die Europa Wahl gibt es aber nur im Wahllokal. Da soll offensichtlich der Wähler ohne nähere Information seine Stimme abgeben. Dahinter steckt schon System! Hoffentlich merken dann zumindest die CDU Wähler, dass sie Frau Merkel, die überall von den Wahlplakaten lächelt, gar nicht wählen können.