Bürgerbeteiligung am Beispiel Neuer Personalausweis

Vor den Wahlen möchten alle Politiker die Bürger mehr beteiligen, auf ihre Ratschläge hören und Projekte bürgerfreundlich umsetzen. In der Realität funktioniert die Bürgerbeteiligung bei komplexen Projekten, die über mehrere Jahre laufen, aber kaum. Die Spezialisten, die sich mit der Materie wirklich auskennen, müssen mit ihrer Arbeit das Brot für sich und ihre Familien verdienen, sind in Firmen angestellt und können sich nicht frei äußern (siehe die Kommentare der Journalisten in Wir sind NRW).  Wer sich an fachlichen Diskussionen beteiligt, die gegen die Interessen des Arbeitgebers verstoßen, verletzt in der Regel seinen Arbeitsvertrag und riskiert die Kündigung. Die Gruppe der Rentner, die nicht mehr angestellt ist, hat meist nur auf „alten“ Gebieten wie z.B. Eisenbahntechnik bei Stuttgart 21 Fachkenntnisse. Ausserdem ist es ein riesiger Aufwand, den Wust von Dokumenten, der bei Großprojekten erzeugt und nur teilweise publiziert wird, durchzuarbeiten. Während die Projektverantwortlichen für diese Arbeit gut bezahlt werden, sollen die Kritiker für Gotteslohn, die Fehler in den Plänen suchen. Das funktioniert zur Zeit nur bei Computer Software, wo Millionen Kunden ohne Bezahltung Tester und Versuchskaninchen für die Hersteller spielen.

Beispielhaft zeigt sich das bei der Einführung des neuen Personalausweises. Hier hat man eine Spezifikation schon früh ins Web gestellt und Sachkundige aufgefordert, diese Spezifikation zu kommentieren. Nun hat sich nicht einmal der Chaos Computer Club, der auf diesem Gebiet gerne die Öffentlichkeit sucht, mit der Sache beschäftigt. Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, einen fachlichen Kommentar abzugeben. Dieser Kommentar wird ins nirgendwo geschickt. An keiner Stelle werden die Kommentare veröffentlicht und auch nicht kommentiert, sonst könnte man ja im Nachhinein feststellen, dass gute Ratschläge nicht beachtet wurden. Noch schlimmer wäre es, wenn man einen Verantwortlichen für die Fehler finden könnte. Nur so ist die  Panne bei der Einführung der Software für die Benutzung des neuen Personalausweises zu erklären: der Ausweis ist zwar einigermaßen sicher – die Software auf dem PC zur Nutzung des Ausweises kann aber von jedem durchschnittlichen Hacker geknackt und durch andere Software ersetzt werden. Das ist so ähnlich wie wenn man den Schlüssel für einen hochsicheren Tresor an die Tür klebt.  Die Software war natürlich in der Spezifikation der Chipkarte überhaupt nicht erwähnt. Ein typischer Anfängerfehler in der Sicherheitstechnik. Man kann nämlich nicht nur einzelne Komponenten (Tresor) sicher machen, sondern muss das gesamte System also auch die Schlüsselverwaltung sicher machen. Das ist auch die Schwachstelle bei der digitalen Signatur, die auf dem neuen Ausweis angeboten wird.  Da ja die Bürger für den neuen Personalausweis selber bezahlen müssen (etwa 240 Millionen € im Jahr), regt sich kein Politiker und auch nicht der Rechnungshof über sinnlose Ausgaben auf und der Bürger schweigt und zahlt – wie immer.

Leider ist auch bei Bürgerbeteiligung sorgfältige Planung und verantwortungsvoller Umgang mit dem Geld der Bürger erforderlich. Man kann nicht einfach die Verantwortung auf die Bürger schieben, die sich gegen den Unsinn nicht rechtzeitig gewehrt haben. Stuttgart 21 läßt grüßen!

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IT New Products Research, Development & Key Account Consulting, Lead Consultant Ex University of Stuttgart, Memory and Logic Design Research, Quantum Memory. Ex IBM New Software Development & Management. Graphic System Product Development, 801 System Design System (Research), New Products Design Manager, Smartcard Security, Edge Computing, AI Signature Validation, IBM Portal Server. Customer Projects: Banking, Health, Automotive
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