Der neue Ministerpräsident von Baden-Württemberg Winfried Kretschmann, ist in seinem Kommunikationsverhalten typisch für die deutsche Führungsriege. Als er in einem Interview nach dem Amtsantritt gefragt wurde, wie er den neuen Anforderungen als Führungskraft eines Landes gerecht werden wolle, sagte er sinngemäß, dass er natürlich jetzt keine Zeit mehr für Sammlung und Auswertung von komplexen Informationen haben werde und er sich auf seine Erfahrung aus 30 Politikjahren verlassen müsse. Nun hat Kretschmann durchaus Erfahrung als Lehrer (hat aber nie eine Schule geleitet) und als Parteikämpfer in den Reihen der Grünen. Positiv ist sicher, dass er ein aufrechter Charakter ist und relativ wenig „politischen Dreck am Stecken“ hat, wie es in Schwaben so heißt. Damit kann Herr Kretschmann wohl unverbindliche Diskussionen auf der Straße führen, was von den Bürgern gerne gesehen wird aber für das Erkennen und Lösen der komplexen Probleme unserer Gesellschaft keine geeignete Methode ist.
Nun kann man sich als Ministerpräsident von B-W oder als Kanzlerin durchaus Rat von extern holen. Die Ratgeber werden dann natürlich von Lobbygruppen empfohlen und sind meist Teil des zu analysierenden Problems. Mangels eigener Erfahrung im Management von Menschen und Organisationen sind dann die Kretschmänner und Merkelfrauen in der Politik den Ratgebern ziemlich hilflos ausgeliefert. Dieses Verhalten ist nicht nur typisch für unsere Politiker sondern auch für viele Führungskräfte in der Wirtschaft, die sich auf ihre eigene Organisation als Informationsquellen und die üblichen Beraterungsfirmen verlassen. Herr Mappus und Herr Wiedeking sind sicher gute Beispiele wie schnell man mit diesem Verhalten vom Sockel gestürzt werden kann.
Am anderen Ende des Spektrums steht z.B. die Piratenpartei, die für alle Vorschläge offen ist und das Parteiprogramm als WIKI mit Creative Commons Attribut zusammen stellt. Dieses Programm ist in seinen Grundsätzen recht klar (und hat viele Übereinstimmung mit der Idee des freien Abgeordneten) wird aber durch Hereinnahme von immer mehr Themenfeldern natürlich ziemlich chaotisch (die Programme der anderen Parteien sind es meist auch) und ist damit bei der Lösung von aktuellen Problemen wenig hilfreich. Offensichtlich läßt man sich vom Gehabe und dem Stil der anderen Parteien doch anstecken. Man wird sehen ob die Piratenpartei bei anstehenden Problemen genügend fachkundige Unterstützer findet, die Themenfelder mit Moderation rechtzeitig geordnet angehen und vernünftige Positionen erarbeiten können. Dabei bräuchte die Piratenpartei gar kein Parteiprogramm. Es würden eigentlich nur einige grundlegene Aussagen benötigt in welche Richtung man gehen möchte und wie man notwendige Entscheidungen mit Hilfe von Unterstützern herbeiführen will.
Die anderen Parteien haben aber offensichtlich noch gar nicht verstanden, dass man in Zukunft ganz andere Verfahren in der Politik benötigt als heute. Eine „alte“ Berliner Abgeordnete mokierte sich z.B. darüber dass ein Abgeordneter der Piraten nicht wusste wie hoch der Schuldenstand in Berlin ist und dass er den mehrere hundert Seiten starken Entwurf des Haushaltsplanes nicht versteht. Dabei weiß der Pirat ja, dass er den Schuldenstand jeder Zeit im Internet nachsehen kann, wenn er denn diesen braucht. Auch könnte er zu Recht erwarten, dass zunächst der Haushaltsplan auf relativ hohem Niveau und für jeden Bürger verständlich präsentiert wird. Hätten sich die „alten“ Abgeordneten das einmal grundsätzlich klar gemacht wäre es wohl nicht zum aktuellen Berliner Schuldenberg von 62 Milliarden € gekommen. Berlin ist Deutschlands Griechenland. Die pro Kopf Verschuldung in Griechenland liegt bei 32 000 €. Die pro Kopf Verschuldung in Berlin (Bund + Land)liegt bei 29 300 € . Ähnlich wie in Griechenland hat Berlin überproportional viele Beamte, Rentner, Sozialhilfeempfänger und Arbeitslose. Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung gepaart mit Jugendarbeitslosigkeit sind wesentlicher Bestandteil des Berliner Business Modells.
Solche Zusammenhänge sollten die Piraten aufzeigen und sich nicht auf die Diskussion um die Kosten für die Reinigung der Bedürfnisanstalten im Berliner Haushaltsplan beschränken lassen.
Angesicht des Schulden der Berliner Bürger fragt man sich wohl zu Recht wie unsere Bundesregierung den Griechen auf die Beine helfen will, wenn sie es nicht einmal schafft am Regierungssitz ordentliche Verhältnisse zu schaffen.