Europa selbst erlebt im Dreiländereck Österreich, Ungarn, Slowakei

Bratislave Castle_DSCN1193Während viele Deutsche die EU Länder im Westen und Süden durch Geschäfts- und Urlaubsreisen recht gut kennengelernt haben, hat man nur vage Vorstellungen über die Verhältnisse der EU Länder im Osten. Ich habe deshalb in den letzten Jahren gezielt Reisen in die kleinen EU Länder im Osten gemacht. Dieses Jahr war ich im Dreiländereck Österreich, Ungarn und Slowakei unterwegs.

In Österreich fällt sofort die hervorragende Infrastruktur auf. Selbst Nebenstraßen sind sehr gut gepflegt – dagegen sind die deutschen Straßen bereits marode. Die Österreicher schützen ihre Dörfer fast selbstverständlich beim Straßenbau. Häufig gibt es Tunnels bei den Ortsumfahrungen oder zumindest sehr gute Schallschutzbauten. In fast jedem Dorf sieht man kleine bis mittelgroße Fabrikgebäude, die meist hervorragend im Schuß sind. An den Autos der Österreicher (meist SUVs) und ihren Häusern sieht man dass da Wohlstand wohnt. Deutsche sollten zur Kenntnis nehmen, dass in Österreich die Werschöpfung BIP pro Kopf größer ist als in Deutschland. In den größeren Städten sieht man aber auch dass es den ärmeren Schichten wohl etwas schlechter geht als in Deutschland. Bei der Energiegewinnung setzt Österreich vor allem auf Wasserkraft. In den großen Ebenen werden aber auch sehr viele Windräder betrieben und gebaut. Dabei stellen die Österreicher die Windräder in großen Gruppen auf und verschandeln nicht ihre Bergpanoramen mit einzelnen Windrädern wie es die Grünen in Baden-Württemberg vorhaben. Die Mär, dass Österreich billigen Strom aus Kohle- und Atomkraftwerken bezieht, lässt sich relativ einfach erklären. Die Österreich Anlieger Deutschland oder Slowakei liefern Dauerlaststrom für die österreichischen Speicherkraftwerke und rufen dann Spitzenstrom für die Netzregelung wieder ab. Da das nicht verlustfrei geht importiert Österreich nominal Energie.

Ganz anders die Situation in Ungarn. Auch hier gibt es eine (kleinere) Oberschicht, die mit dicken SUVs herumfährt und in protzigen Häusern wohnt. Die Infrastruktur sieht bis auf wenige Ausnahmen jedoch desolat aus. Neue Gebäude gehören meist westdeutschen Handelsketten. Neue Industriebetriebe sind selten. Der Anteil der armen Leute, speziell der Älteren ist relativ hoch. Es ist schleierhaft wie man mit den geringen Renten in Ungarn überleben kann. Mit Verblüffung stellt man zudem fest, dass die Lebensmittelpreise im Schnitt etwa 20% höher sind als bei ALDI, LIDL und Co. in Deutschland obwohl die deutschen Ketten den Lebensmittelhandel beherrschen. Besonders bedrückend ist, dass selbst gut ausgebildete junge Leute keine adequaten Jobs finden. Meist sind sie in Jobs beschäftigt für die sie eigentlich überqualifiziert sind und verdrängen dort die schlechter ausgebildeten Jugendlichen. Die ausländischen Firmen, die sich in Ungarn wegen der niedrigen Löhne angesiedelt haben, drücken die Einstellgehälter so sehr, dass die gut ausgebildeten jungen Leute gar nicht für die ausländischen Firmen arbeiten wollen. Man kann die Ungarn nur bewundern, wie sie in dieser Situation für ihre Zukunft kämpfen. Für Reisende ist es nicht besonders störend, dass Ungarn kein Euro Land ist. Man kann fast überall mit der Zweitwährung Euro bezahlen, Kreditkarten werden fast überall akzeptiert. Münzen braucht man allerdings für die Parkuhren. Die Preise für Dienstleistungen sind deutlich niedriger als in Deutschland. Hier kann sich selbst der deutsche AOK Patient Zahnimplantate und Schönheitsoperationen leisten. An den Kassen der Lebenmittelketten kann man ohne größere Probleme Geld wechseln zu Kursen, die günstiger als bei der Bank sind. Wichtig ist allerdings, dass Ungarn dem Schengen Raum angehört und man ungehindert die Grenze passieren kann.

Nähert man sich Bratislava, der Haupstadt der Slowakei, so sieht man schon von weitem die weiße Burg, die ähnlich wie in Prag oberhalb der Donau und der Altstadt liegt. Will man die Burg jedoch besichtigen stellt man fest, dass das Geld (auch von der EU) nur zur Reparatur der Aussenhaut der Burg gereicht hat. Das Innere und die Umgebung ist eine mit wenigen Arbeitern bevölkerte Baustelle. Hier sieht man, dass in der ehemaligen Tschechoslowakei das Geld zunächst nach Prag ging. Die Slowaken wurden dafür mit riesigen Plattenbauten beglückt, die heute die Skyline um die Burg herum beherrschen. Die schöne Altstadt von Bratislava unterhalb der Burg wird zwar restauriert wo immer es geht, der Geldmangel schaut aber aus allen Knopflöchern heraus. Man sieht in der Slowakei mehr SUV Fahrer als in Ungarn, die werden u.a. hier montiert. Den ärmeren Schichten geht es aber wohl ähnlich wie den Leuten in Ungarn. Rentner erhalten durchschnittlich etwa 400 € Rente. Auf dem Land fällt die fehlende Infrastruktur überall auf. Die alte Nomenklatura aus der kommunistischen Zeit sitzt offensichtlich noch in großer Zahl in den Ämtern, bei denen eigentlich ein Schild „Fremder störe nicht“ über der Tür stehen müsste. Da in der Slowakei wie in allen kleinen Staaten der Nationalstolz sehr ausgeprägt ist, sind natürlich alle Schilder und Informationen bis auf wenige Ausnahmen in der Altstadt in der Landessprache.  Das ist sicher keine gute Idee wenn man Touristen ins Land locken will. Man kann im EU Land Slowakei natürlich überall mit Euro bezahlen. Allerdings sind die Preise für Dienstleistungen ähnlich hoch wie in Deutschland. Wie sich das ein slowakischer Normalverdiener leisten kann, bleibt ein Rätsel. Die Gaststätten sind oft bis auf Tische, Stühle und Kellner leer. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man den slowakischen Bürgern vermitteln kann, dass sie mit ihrem Geld (das sie ja auch nicht haben) das notleidende Griechenland unterstützen sollen. Die „Oberschicht“ profitiert jedoch von Euroland und es besteht durchaus eine Chance, dass die Slowakei dem ESFS zustimmt. Das dafür notwendige Geld wird mann sich dann wohl von der EZB leihen müssen. Man steht damit in der Tradition der Kommunisten, die sich ja auch nicht um das Volk gekümmert haben.

Gemeinsam ist allen drei Ländern, dass man fast nirgendwo Produkte aus nationaler Produktion kaufen kann (ausgenommen einiger Lebensmittel). Alle Läden und Kaufhäuser werden von weltweiten Markenartikeln mit Made in China, Taiwan usw  beherrscht. Diese Waren werden vorwiegend formal über Irland in die EU eingeschleust und dort auch minmal versteuert. (So erklärt sich das hohe BIP pro Kopf von Irland.) Die kleinen Länder können diese Importe nicht durch Zölle beeinflussen. Ihre eigenen Produkte sind meist Zulieferteile am untersten Ende der Wertschöpfungskette (z.B. in der Automobilindustrie). Die großen Gewinn werden anderswo gemacht z.B. bei BMW, Volkswagen und Daimler in Deutschland oder den Abnehmerländern z.B. in China und werden dort reinvestiert. Es ist wohl eine Merkel-Sarkozy Fata Morgana, dass man diese Länder in absehbarer Zeit in eine gemeinsame Wirtschaftszone ohne alle Barrieren eingliedern kann und den kleinen Ländern ihre nationale Selbstbestimmung rauben kann, die sie sich mühsam gegen die Sowjetunion erkämpft haben.

Die Europapolitik sollte sich vielmehr auf einige wenige Dinge konzentrieren, die für die Menschen wichtig sind z.B. Freizügigkeit (Schengen), europaweites Zahlungssystem mit dem € als allgemein anerkannte Leitwährung (früher war das der $), europaweites Geschäftsrecht und Förderung einer allgemeinen Zweitsprache (wahrscheinlich Englisch) und die Förderung der Begegnung junger Menschen. Die Verfolgung eines europäischen Einheitsstaates kann nur im Desaster enden. Man denke nur an das Habsburger Reich, Nazi Großdeutschland oder den von Russland beherrschten Ostblock. Europa kann nur als ideeller Verbund mit wenigen Regeln und mit aktiver Beteiligung der Bevölkerung geschaffen werden. Das Bollwerk Europa beherrscht von Bürokraten in Brüssel und Paris  mit Beihilfe der deutschen Zahlhansel und -gretl gegen den Rest der Welt ist eine Vision der Ewiggestrigen. Deutschland mit seiner Erfahrung bei der Integration des ehemals kommunistischen Ostens könnte beim Bau des neuen Europas eine führende Rolle spielen. Neue Köpfe braucht das Land!

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