Ein Aufschrei geht durch die Parteienlandschaft. Ein Abgeordneter wagt etwas anderes zu denken als es die Parteiführung vorgibt und es auch noch in der Öffentlichkeit sagt. Wenn das der Wille aller Parteien ist, sollten wir das Parlament durch eine kleine Riege von Parteifunktionären ersetzen. Das käme billiger und man könnte die Parteistrategen auch verantwortlich für ihr Tun machen. Bei uns werden die Sachfragen hinter geschlossenen Türen geklärt und festgezurrt. Unsere gewählten Vertreter im Parlament dürfen dann nur noch ihr Händchen heben sind aber schuld wenn es schief geht. Im Fall der Griechenlandhilfe sind ja sogar die Oppositionsparteien ausgerichtet. Unser Parlament ist also nur noch DEKO. Der ursprüngliche Idee des freien, unabhängigen Abgeordneten wird dadurch pervertiert. Wer nicht auf der Parteilinie liegt wird massiv gemobbt (pofallisiert).
Die ganze Aufregung der Parteien ist nicht verständlich. Ein einzelner oder einige wenige Abgeordnete können, wie Herr Bosbach betont, in der Regel wenig ausrichten, wenn der Rest der Partei geschlossen hinter der Parteiführung steht. Sie können aber durchaus wesentliche Beiträge zur öffentlichen Diskussion leisten.
In Sonderfällen wie z.B. in Ungarn wo ein diktatorischer Ministerpräsident das Land mit seiner 2/3 Mehrheit knebelt, kann ein einzelner Abgeordneter, wie der gerade gewählte Zoltan Klesz, bösartige Änderungen der Verfassung verhindern – dafür wurde er uch gewählt. Es ist unverständlich dass in Deutschland viele Bürgermeister als unabhängige Kandidaten (selbst wenn sie einer Partei angehört haben) gewählt werden (die Parteien können gar keinen mehrheitsfähigen Kandidaten stellen) und hervorragend Arbeit leisten aber im Bundestag unabhängige Abgeordnete nicht geeignet sein sollen. Unser Wahlgesetz definiert explizit den Wahlvorgang für unabhängige Bundestags- und Landtagsabgeordnete. Es ist wohl an der Zeit, dass die ursprüngliche Idee des Parlaments wieder aufgegriffen und die Herrschaft der Parteien etwas eingeschränkt wird. Das Verfahren zur Direktwahl eines Bundestagsabgeordneten ist eigentlich ganz einfach. Man braucht aber einen wirklich guten Kandidaten. Ich nehme an, dass Herr Bosbach in seinem Wahlkreis gewinnen würde, wenn er als Freier Abgeordneter antreten würde. Frau von der Leyen hat es dagegen zur Ministerin geschafft, ohne jemals einen Wahlkreis gewonnen zu haben! Bei der 2016 anstehenden Landtagswahl in Baden-Württemberg könnten ja einige Freie Abgeordnete die schwarz, rot, grüne Politiklandschaft etwas wiederbeleben.
Einige Freie Abgeordnete wurden unserer Politiklandschaft sicher besser tun als z.B. einige obskure Abgeordnete der AfD, wo der Wähler nicht weiß wer mit seiner Stimme über die Landeslisten ins Parlament einzieht. Erfahrungsgemäß reagieren die Parteien relativ schnell, wenn ihre Macht und Pfründen bedroht sind und denken vielleicht darüber nach, wie man die repräsentative Demokratie wiederbeleben kann.
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