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Die mächtigsten Lobbyisten in Deutschland sind wohl die Vertreter der Automobilwirtschaft und die Vertreter der Versicherungen. Klaglos bezahlen die Deutschen für ihre Autos, Ersatzteile und Services überhöhte Preise und finanzieren mit ihren Steuern die Firmenautos und die Expansion unserer Automobilfirmen in China und USA damit diese nach Abschluss des TTIP Vertrags ihre billigen US Autos in die EU (oder von der EU nach USA wenn der Euro weiter verfällt) importieren können.
Die Lobby der Versicherungen arbeitet etwa lautloser aber dennoch äusserst effektiv. Die Hannover Versicherungslobby (mit Gerhard Schröder und UvD Leyen als obersten Lobbyisten) verbündet sich mit den Münchner Versicherungen (mit der CSU als Lobby) zu einer Allianz, die nicht das Wohlergehen der Kunden sondern das Wohlergehen der Konzerne als Hauptziel hat. Bewundernswert ist, wie Gesetze im Sinne der Versicherungswirtschaft lanciert und geändert werden.
Deutschland ist im internationalen Vergleich der Renten gut positioniert, da der Großteil der Renten mangels Kapital nach dem Krieg über Umlagen finanziert wird. Hätten wir ein auf Kapital basierendes Rentensystem, dann würden unsere Rentner traurigen Zeiten entgegen sehen. Aber auch so sieht es nicht mehr gut aus. Es lohnt sich die zukünftige Rente mit einem Rentenrechner zu überprüfen. Ein typischer Angehöriger der gehobenen deutschen Mittelklasse mit Studium oder äquivalenter Ausbildung kann etwa mit 1600 € Sozialrente rechnen. Die Mehrheit muss sich mit Sozialrenten unter 1200 € abfinden. Heute wird dies Rente häufig durch eine Firmenrente (Empirische Befunde: Die betriebliche Altersvorsorge in der Privatwirtschaft) ergänzt. Der Großteil der Firmenrenten geht an die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes! Damit soll der Abstand zu den Renten der Beamten etwas verringert werden. Wirtschaftsminister Gabriel will wohl die Versicherungswirtschaft bei den Privatrenten massiv mit Steuergeldern unterstützen, weil die Renten der im öffentlichen Dienst Beschäftigten massiv gefährdet sind. Immer weniger Einzahler stehen einer großen Zahl von Anspruchsberechtigten gegenüber.
Nennenswerte Betriebsrenten gibt es nur für ältere Arbeitnehmer in Betrieben mit mehr als 1000 Mitarbeitern. Die Rentenhöhe ist nur im öffentlichen Dienst und bei Großbetrieben signifikant. Unter 200 € Betriebsrente erhalten 45% der Männer und 64% der Frauen. Nur 22% der Männer und 7% der Frauen erhalten mehr als 700 € Betreibsrente. Nur eine kleine Gruppe der AT Angestellten erhält hohe Beteriebsrenten. In den „Neuen Bundesländern“ gibt es ganz wenig Privatrenten. Private Firmenrenten wird es aber in Zukunft auch im Westen kaum noch geben. Die Zahl der Beschäftigten mit Anspruch auf Betriebsrente geht für Jüngere stark zurück. Man wird also in Zukunft vermehrt privat vorsorgen müssen. Das ist aber schwierig und riskant. Die deutsche Versicherungswirtschaft steht da bereit den Bürgern ihre Sorgen und vor allem ihr Geld abzunehmen.
Ganz offensichtlich ist das bei der Riesterrente, die ursprünglich als Einstieg in die private Rentenversicherung gedacht war. Da die Kosten für Vertrieb und Verwaltung durch die „Riester Rente“ sehr hoch sind, muss der Staat über direkte Zuschüsse und Steuernachlässe etwa 60% der Beiträge übernehmen. Trotzdem bleibt nur eine magere „Rendite“ für die Versicherten von etwa 3 % übrig wie die Konzerne stolz verkünden. In Wirklichkeit ist das keine Rente für die Bürger sondern eine staatliche Subvention der Versicherungswirtschaft, die von den Steuerzahlern bezahlt wird. Der Ex-Minister schämte sich nicht, nach Ablauf seiner Amtszeit auf Kosten der Versicherungen und gegen gutes Honorar den Verkäufern der Riester Rente zu erklären, wie sie ihre Schäfchen damit scheren können.
Ähnlich ist es bei den Lebensversicherungen. Steuernachlässe und Zuschüsse vom Staat gibt es nur, wenn man seinen Lebensabend bei den Versicherungskonzernen absichert. Dabei fallen natürlich vor allem zu Beginn der Lebensversicherung hohe Verwaltungskosten an. Der typische Strukturvertrieb von Versicherungen ist extrem teuer – Maschmeyer und Co wollen ja gut leben. Nicht die Politik sondern der BGH hat diese Praxis jetzt gestoppt (die Versicherungen werden sich aber wieder etwas Neues einfallen lassen). Die Kunden der Versicherungen haben keine Möglichkeit die Anlage ihres Geldes und das aktuelle verwaltete Vermögen der Versicherten zu kontrollieren. Die Versicherungen spekulieren mit dem Geld der Versicherten, gerne bei eigenen Fondgesellschaften (Allianz PIMCO), kassieren die Gewinne und laden Gebühren und Verluste bei den Versicherten ab. Das geht so lange gut wie die Versicherten keine oder nur geringe Auszahlungen erhalten. In Deutschland beginnt aber jetzt eine Phase, in der die Auszahlungen höher als die Einzahlungen sind. In USA mussten die „Babyboomer“ bereits feststellen, dass ihr eingezahltes Geld plötzlich weg war. Besonders schlimm war es wenn Gewerkschaften und Versicherungen die Fonds „gemeinschaftlich“ verwaltet haben. Dieses „Modell“ versuchen ja unser Gewerkschaften in Zusammenarbeit mit der Versicherungswirtschaften zu propagieren. Da es am Markt in der Niedrigzinsphase keine guten Anlagemöglichkeiten mehr gibt, versucht man neue „sichere“ Anlagen zu schaffen. Die Versicherungen wollen z.B. die marode staatliche Infrastruktur – Straßen, Strom, Wasser usw über Kredite finanzieren. Die Finanzierungs- und Projektkosten werden dadurch aber durch Public Private Partnership unsinnig aufgebläht. Die Politik macht dabei aber gerne mit, weil durch Privatisierung die Kosten der Infrastruktur wie durch ein Wunder aus dem Staatshaushalt verschwinden. Da können dann die Finanzminister kräftig sparen, natürlich auf Kosten der Bürger.
Zum Glück spielen die privaten Altersversicherungen in Deutschland nur eine geringe Rolle. Die Rentenversicherungsanstalt hat 2013 rund 219 Millarden € an die Versicherten ausbezahlt. Genaue Zahlen über die Auszahlungen der Privaten Lebensversicherungen und Renten gibt es nicht. Schätzungen liegen zwischen 20 und 40 Milliarden €/Jahr. Viele Lebensversicherungen werden auch als Finanzierung für selbstgenutzte Immobilien benutzt. Wird die Versicherung fällig, werden die bestehenden Hypotheken z.B. auf das Eigenheim abgelöst. Damit erhält man aber keine Rente auf Lebenszeit – man spart allerdings die Zahlung der Miete im Alter.
Das Eigenheim ist eine bewährte Alterssicherung in Deutschland und wurde früher massiv gefördert. Der Nutzwert eines Eigenheims wird aber durch die Politik systematisch untergraben. Sobald die Besitzer ins Altersheim kommen, greift das Sozialamt auf die Immobilie zu. Die Erben sparen so wenigstens die Erbschaftssteuer. In vielen ländlichen Gegenden sinken die Hauspreise, weil die Infrastruktur vernachlässigt wird, während in den Boomstädten die Preise für Wohnungen, die mehr und mehr von Investoren aufgekauft werden, steigen. Ältere Häuser genügen den exzessiven Bauvorschriften bzgl Isolierung, Brandschutz usw nicht und werden dadurch entwertet. Durch Vorschriften für die Sanierung ermöglicht der Staat schöne garantierte Renditen für Wohnungskonzerne, denen man die Sozialwohnungen verkauft hat. Der Verkauf (Verlust) von Staatseigentum taucht in der Bilanz von Bund und Ländern ja nicht auf. Die Verkaufserlöse werden da gerne als Einnahmen verbucht. Durch die vom Staat garantierte Miete für „Hartzer“ wurde das Niveau der Mieten angehoben – eine schöne Leistung der Versicherungslobby. So erhält man garantierte Renditen für die Anlagen in Immobilien. Da zahlen dann alle Mieter mit, ohne dass man Steuern erhöhen muss.
Kauft man als Älterer eine altersgerechte Wohnung, so stellt man verblüfft fest, dass die Nebenkosten leicht die Höhe einer normalen Miete erreichen können. Durch viele Bauvorschriften, Inspektionen usw. verschaffen sich die Immobilienfirmen und ihre Finanziers, die Versicherungen, schöne Zusatzgewinne.
Ein weites Feld für die Versicherungs- aber auch der Ärztelobby ist die private Krankenversicherung. Der Großteil der privat Versicherten sind Beamte, die zusätzlich zur Beihilfe eine private Versicherung abschließen. Typisch kostet das die Beamten etwa 300 € im Monat und zwar unabhängig vom Einkommen. Viele Frauen haben nur halbtags oder nur kurz Vollzeit als Lehrer gearbeitet. Mit 1500 € Rente kann man sich dann die private Zusatzversicherung eigentlich kaum noch leisten. Die Versicherungslobby arbeitet deshalb daran, diese Gruppe in die staatliche Krankenversicherung abzuschieben. In Baden-Württemberg konnte die Ehefrau Beihilfe über ihren Ehemann beanspruchen solange ihre eigene Rente unter 18000 €/a lag. (das waren praktisch alle mit Sozialversicherung). Nun wurde die Grenze auf 10 000/a gelegt und die älteren Ehefrauen sind plötzlich in gesetzlichen Kasse mit minimalem Beitrag, hohen Kosten und hoher Lebenserwartung.
Die private Krankenversicherung für z.B. Selbständige war zunehmend uninteressant. Die Beiträge waren einfach zu hoch, speziell wenn noch Frau und Kinder versichert werden mussten. Die Versicherungslobby hat nun erreicht, dass die Prämien pro Jahrgang errechnet werden dürfen. Damit kann man den Jungen attraktive Einstiegsprämien anbieten. Für die Älteren wird es aber richtig teuer. Im Rentenalter betragen die Beiträge für die private Krankenversicherung einer Einzelperson bei voller Leistung und ohne Selbstbehalt > 1000 €/Monat. Weh dem wer im Alter noch für seine Frau mitzahlen muss! Man sollte sich besser rechtzeitig scheiden lassen. Das kann man mit der durchschnittlichen Sozialrente von 1167 € sicher nicht bezahlen. Jeder Versicherungsvertreter wird aber beim Neuabschluss einer privaten Krankenversicherung auf die Schlupflöcher hinweisen, wie man im Alter in die staatliche Krankenversicherung wechseln kann. Bis zum Alter von 55 Jahren ist das ganz einfach. Ist man älter als 55 Jahre braucht man schon einen erfahrenen „Berater“. Typisch ist, dass die Prämien der privaten Krankenversicherung rapid ansteigen, sobald die Versicherten älter als 55 Jahre sind. Jetzt können sie ja nicht mehr wechseln! Ist man jünger kann man als Gutverdiener ohne Familie mit hohem Selbstbehalt gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung im Monat typisch 400 € sparen. Nicht solidarisch zu sein lohnt sich.
Banken und Versicherungen versuchen die Bürger in Anlagen mit höherem Risiko und höheren Gebühren zu drängen. Es wird deshalb auf allen Medien-Kanälen versucht, die bewährten solidarischen Sozialsysteme in Deutschland unattraktiver zu machen und die Spargelder in riskantere Anlagen für die Alterssicherung umzuleiten. Wahrscheinlich wird es ihnen mit Hilfe der Politik auch gelingen. In 20 Jahren werden wir wahrscheinlich ähnliche Verhältnisse wie in USA haben mit einer minimalen Grundversorgung für einen Großteil der Bevölkerung.
Das größte soziale Problem in Deutschland ist nicht, dass die Reichen immer reicher werden, sondern dass die Armen durch Zuwanderung aus der Mittelschicht mehr werden. Für die Politik hat dies viele Vorteile, da die Erfahrung lehrt, dass die Armen nicht an Wahlen teilnehmen und alle Wohltaten für diese Gruppe sich für die Parteien nicht lohnen. Herr Gabriel hat das bereits erkannt und mit seinen Ghostwritern in einem Buch dokumentiert: Siechmar Gabriel: Links neu denken – Politik für die Mehrheit. Es ist zu hoffen, dass die deutschen Wähler auch diesmal Herrn Gabriel nicht folgen und ihre bewährten Sozialsysteme gegen die Neupolitiker verteidigen. Der deutsche Michel läßt sich aber besonders gern im Sommer, wenn Wahlen stattfinden, gerne scheren.
10.3.2015
Sehr lesenswerter Artikel.
Grüße